ESA-Mars-Mission gestartet Und ewig lockt der rote Planet
ExoMars läuft planmäßig: In Baikonur startete eine "Proton"-Rakete mit Satellit und Landeeinheit in Richtung Mars. In 217 Tagen soll der Satellit dann am Rande der Mars-Atmosphäre sein. Sebastian Kisters erklärt die Besonderheiten der ESA-Mission.
Was will die ESA auf dem Mars?
Zwar wurden bereits mehr als 40 Raumsonden zum Mars geschickt. Doch eine Frage ist noch immer nicht geklärt: Gibt es Leben auf unserem Nachbar-Planeten? Fest steht bislang nur: Es gibt Methan in der Mars-Atmosphäre. Auf der Erde wird das Gas vor allem von Lebewesen freigesetzt. Es könnte jedoch auch vulkanischen Ursprungs sein. Die Mission "ExoMars" soll nun für Klarheit sorgen. "Erstmals gibt es Instrumente, die dazu in der Lage sind", sagt Paolo Ferri, der Leiter des ESA-Missionsbetriebs.
Am Montag um 10:31 Uhr Mitteleuropäischer Zeit schoss die Europäische Raumfahrt Agentur (ESA) einen Satelliten mit einer Landeeinheit ins All. Über vier Tonnen wiegen sie zusammen. Ein Rekord ist damit schon sicher: Es ist die schwerste Mars-Mission aller Zeiten. Mit Treibstoff und allen Zündstufen kommt die Rakete auf ein Startgewicht von 697 Tonnen.
217 Tage soll der Satellit bis zum Rande der Mars-Atmosphäre brauchen. Verschiedene Instrumente untersuchen dann zunächst ihre Zusammensetzung. Am 19. Oktober um 16:45 Uhr beginnt schließlich der spannendste Teil der Mission. Dann rast das Landemodul mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde auf den roten Planeten zu. Ein Fallschirm und drei Düsen bremsen es kurz vor dem Aufprall ab. Gelandet werden soll mit einer Geschwindigkeit von maximal fünf Metern pro Sekunde, das sind etwa 18 km/h. Glückt das Manöver, liefert es entscheidende Erkenntnisse für einen zweiten Teil der Mission. 2018 will die ESA einen Rover mit einem Bohrer zum Mars schießen. Bislang haben Roboter nur an der Oberfläche des Planeten gekratzt. In drei Jahren soll es aber Proben aus zwei Metern Tiefe geben. Wenn es je Leben auf dem Mars gab - oder noch immer gibt - dann nur in dieser Tiefe. An der Oberfläche dürfte intensive UV-Strahlung alles Leben zerstört haben.
Wer steuert die Mission?
Was Houston für die NASA, ist Darmstadt für die ESA. Gesteuert wird das rasante Manöver aus dem Europäischen Raumflugkontrollzentrum im Süden Hessens. Wobei: Kontrolle ist bei dieser Mission relativ. Jeder Steuerungsbefehl braucht über neun Minuten ehe er aus Darmstadt die Sonde in über 75 Millionen Kilometern Entfernung erreicht. Zum Vergleich: Der Mond ist 384.000 Kilometer von der Erde entfernt.
Warum wird in Baikonur gestartet?
Eigentlich wollte sich die NASA an der Mission beteiligen. Doch den Amerikanern wurde es 2012 zu teuer. Als neuen Kooperationspartner konnte die ESA die russische Weltraumagentur Roskosmos gewinnen. Nun wird also vom sagenumwobenen Weltraumbahnhof in Baikonur gestartet. Am 4. Oktober 1957 beförderten die Russen den ersten Satelliten von Baikonur in den Weltraum: "Sputnik", was auf deutsch "Weggefährte" oder "Begleiter" bedeutet. Beim Rennen ins All ging der erste Sieg damit an die Sowjets. Der Westen litt am "Sputnik-Schock". Auch der erste Mensch wurde von Baikonur ins All geschossen: Juri Gagarin, das war am 12. April 1961.
Diese kleine Kugel löste 1957 den "Sputnik"-Schock im Westen aus. Inzwischen kooperiert man in der Weltraumforschung.
Baikonur hatte für die Sowjets zwei Vorteile: das trockene Wüsten-Klima und die Lage. Raketen, die in nordöstliche Richtung starteten, flogen zunächst mehrere tausend Kilometer über sowjetisches Gebiet. Die Stadt war lange einer der geheimsten Orte der Welt. Um Spione fernzuhalten, war Baikonur auf sowjetischen Landkarten lange Zeit 380 Kilometer westlich versetzt eingezeichnet. Heute liegt der Weltraumbahnhof auf kasachischem Staatsgebiet. Russland überweist über 100 Millionen Dollar im Jahr, um das Gelände weiter nutzen zu dürfen. Geheim ist der Ort längst nicht mehr: Astronauten und Satelliten aus der ganzen Welt treten hier ihre Reise ins All an.
Wie verläuft der Start?
Um 10:31 Uhr bebt die Erde in der kasachischen Wüste. Die 697 Tonnen schwere "Proton"-Rakete hebt ab. Auf dem ersten Kilometer geht es senkrecht nach oben. Dafür braucht die Rakete 22 Sekunden. Eine Minute nach dem Start hat sie bereits eine Höhe von zehn Kilometern erreicht und ist bereits mit 1500 km/h unterwegs in Richtung Mars. Eine weitere Minute später ist die "Proton" bereits 45 Kilometer von der Erde entfernt.
Die "Proton" galt lange als zuverlässiges Arbeitspferd unter den Trägerraketen. Bis zum Jahrtausendwechsel gab es mehr als 250 Starts. Die Erfolgsquote lag bei 96 Prozent. In den vergangenen Jahren gab es jedoch immer wieder Probleme. 2013 war eine Satelliten Mission Sekunden nach dem Start Geschichte, die Rakete war explodiert. Auch 2014 und 2015 erreichten Satelliten an Bord von "Proton"-Raketen ihre Ziele nicht. Sie stürzten aus größerer Höhe ab.
Gestandene Wissenschaftler setzen in den kommenden Stunden im Kontrollzentrum in Darmstadt auch auf Glücksbringer. Sie halten die Entscheidung, mit den Russen zu fliegen, aber in jedem Fall für richtig. Paolo Ferri, der ESA-Leiter des Missionsbetriebs, sagt: "Ich glaube, die Wissenschaft kann helfen, politische Probleme zu lösen. Wir zeigen, dass Länder kooperieren können und müssen. Das ist ein Zeichen, dem die Politik folgen muss."
Drückt die Daumen in Darmstadt: ESA-Flugdirektor Ferri
Wann fliegt der erste Mensch zum Mars?
Die Technologie ist da. "Die Kosten und Risiken machen es derzeit aber unmöglich, Menschen zum Mars zu schicken", sagt Paolo Ferri, der Leiter des ESA-Missionsbetriebes. Das größte Problem ist die Strahlung im All. Astronauten können auf einer langen Reise zum Mars davor noch nicht ausreichend geschützt werden. Vermutlich würden sie schnell an Krebs sterben.