Fluchtursachen Warum gerade jetzt so viele Menschen fliehen
Weltweit waren seit dem zweiten Weltkrieg nicht so viele Menschen auf der Flucht wie jetzt. Allein in Deutschland werden in diesem Jahr 800.000 Menschen erwartet. Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit viereinhalb Jahren. Warum fliehen gerade jetzt so viele Menschen nach Europa?
Die deutsche Bundesregierung rechnet mit 800.000 Asylsuchenden in diesem Jahr - das sind viermal so viele wie im vergangenen Jahr und so viele wie noch nie. Die Zahl der Flüchtlinge weltweit ist so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
Ein wesentlicher Grund für den Anstieg ist der Bürgerkrieg in Syrien, der im fünften Jahr tobt. Aber warum fliehen die Menschen gerade jetzt? Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Karolin Eberle, nennt dafür folgenden Grund: "Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges wollten die Flüchtlinge so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren." Inzwischen hätten die Menschen aber die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr verloren.
Vielmehr wird das Ausmaß der Zerstörung in Syrien immer schlimmer, das Assad-Regime bombardiert Zivilisten aus der Luft mit Fassbomben und der "Islamische Staat" hat eine Terrorherrschaft aufgebaut, die auch viele Iraker zur Flucht zwingt.
Der Exodus aus Syrien
Vor dem Krieg hatte Syrien 23 Millionen Einwohner. Nach den aktuellsten Zahlen der UN gibt es allein innerhalb Syriens 7,6 Millionen Binnenflüchtlinge. Mittlerweile sind mehr als vier Millionen Syrer ins Ausland geflohen - die meisten davon in die Nachbarstaaten. 1,8 Millionen flohen in die Türkei, 1,1 Millionen in den Libanon. Die jordanische Regierung schätzt, dass in ihrem Land mittlerweile 1,4 Millionen syrische Flüchtlinge leben.
"In unserer Generation ist dies der Einzelkonflikt, der die meisten Flüchtlinge verursacht hat", sagte UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres. "Sie bräuchten dringend den Beistand der Welt, versinken aber immer tiefer in Armut und Elend." Innerhalb von zehn Monaten sei die Zahl der geflüchteten Syrer um eine Million angewachsen, so Guterres.
Die Lage in den syrischen Nachbarländern wird immer prekärer
In den Aufnahmelagern der Nachbarstaaten leben die Syrer zumeist in Zeltstädten und ärmlichen Notunterkünften. Die medizinische Versorgung ist schlecht, die Schulangebote für die Kinder ebenso und sie werden auch noch schlechter, weil immer mehr Menschen hinzukommen. Die Flüchtlinge dürfen nicht legal arbeiten. Viele arbeiten illegal für Hungerlöhne. Das sorgt wiederum für Spannungen mit der Bevölkerung, weil deren Löhne dadurch auch gedrückt werden.
"Man geht dahin wo es Netzwerke gibt"
Dass so viele Syrer, aber auch Iraker und Afghanen nach Deutschland wollen, hat auch damit zu tun, dass viele hier Verwandte haben. Nach Angaben von Pro Asyl leben bereits 150.000 Syrer, 100.000 Iraker und 85.000 Afghanen hier. "Man geht immer dahin, wo man Netzwerke hat", sagt Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhard.
Die Fluchtursachen auf dem Balkan
40 Prozent der Asylsuchenden in den vergangenen sieben Monaten kamen auch vom Balkan. Im Februar waren es viele Kosovo-Albaner. Kurz zuvor hatten sich in dem Land die beiden eigentlich tief verfeindeten großen Parteien zu einer Regierung zusammengefunden. Das werteten die Menschen als Zeichen, dass die politische Klasse das Land weiter ausbeuten wolle und an eine Besserung der sozialen Lage nicht zu denken ist. Ähnlich ist die Situation in Mazedonien, Serbien und Bosnien.