EU-Russland-Gipfel in Mafra Gute Beziehungen sehen anders aus
Gute Beziehungen sehen anders aus. Mit Tschechien und Polen streitet Russland wegen des US-Raketenabwehrsystems. Auch bei den Themen Kosovo, Iran, Öl und Menschenrechte gehen die Standpunkte auseinander. Nun sind im portugiesischen Mafra die politischen Spitzen von EU und Russland zusammengekommen, um die Stimmung zu verbessern.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkkorrespondent, derzeit in Mafra
Warmherzig ist die Atmosphäre nicht gerade, wenn der russische Präsident die EU-Spitze trifft - aber das ist schon seit einiger Zeit so. Es hakt an allen Ecken und Enden in den Beziehungen zu Russland: Vor allem die osteuropäischen EU-Länder tun sich schwer mit dem ehemaligen Bruderstaat aus Sowjetzeiten. Mit der EU und der Nato im Rücken scheuen sie sich nicht, sich mit dem russischen Nachbarn anzulegen. So haben sich Polen und Tschechen bereit erklärt, Teile eines neuen amerikanischen Raketenabwehrsystems zu installieren - das wiederum reizt den Kreml bis aufs Blut. Russland droht mittlerweile unverhohlen damit, neue Raketen zu produzieren.
Die eine oder andere Äußerung der vergangenen Monate erinnerte schon mal an die Zeiten des Kalten Krieges. "Nein, ich denke nicht, dass unsere Beziehungen in einem so schlechten Zustand sind“ meinte Wladimir Putin dazu in Portugal, "aber es gibt Fragen, in denen unsere Positionen nicht zusammen passen". Das gilt vor allem für die internationalen Konflikte, die man eigentlich gemeinsam lösen muss, bei denen man aber zum Teil meilenweit auseinander liegt.
Iran und Kosovo sorgen für Zündstoff
Etwa beim Atomstreit mit dem Iran: Putin warnte scharf vor neuen Sanktionen gegenüber der Regierung in Teheran. "Warum den Konflikt verschärfen durch weitere Sanktionen oder sogar durch militärische Mittel", meinte er an die Adresse der USA und der Europäer. Beim Thema Kosovo sind Russen und Europäer noch viel weiter auseinander: Russland ist gegen ein unabhängiges Kosovo - die Europäer sind dafür. Und beim Thema Menschenrechte muss Putin sich ständig Kritik von den Europäern gefallen lassen – und das ärgert ihn.
Streit um Öl und Fleisch
Auch sonst macht man sich gegenseitig das Leben schwer: Der Kreml läßt seit zwei Jahren kein polnisches Fleisch mehr ins Land. Polen blockiert dafür im Gegenzug ein neues Partnerschaftsabkommen, das Brüssel mit Moskau aushandeln will: Darin soll es unter anderem um die russischen Energielieferungen gehen. Russland ist der wichtigste Lieferant von Öl und Gas in die EU - und da wünschen sich die Europäer mehr Sicherheit. In diesem und im vergangenen Jahr waren in der EU zwischenzeitlich Öl und Gas knapp geworden, weil der Kreml der Ukraine und Weissrussland zwischenzeitlich den Hahn zugedreht hatte. Die Pipelines in den Westen führen durch Russlands Nachbarländer.
Ein Frühwarnsystem soll künftig verhindern, dass die Europäer noch einmal eine derart böse Überraschung erleben. Allerdings zweifelt niemand daran, dass Russland auch in Zukunft seine Energieressourcen als Machtmittel einsetzen wird. Immerhin: So wichtig Russland für die EU als Lieferant ist - so wichtig ist die EU für Russland als Kunde. Die Abhängigkeit ist gegenseitig - aber das schützt eben vor Konflikten nicht.