EU-Russland-Gipfel in St. Petersburg "Die EU ist kein einfacher Gesprächspartner"
Führende Vertreter der EU und Russland sind in St. Petersburg zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen. Auf der Agenda stehen zahlreiche strittige Themen: der Syrien-Konflikt, die Euro-Krise, die politische Situation in Russland - all das dürfte für hitzige Diskussionen sorgen.
Von Christina Nagel, ARD-Hörfunkstudio Moskau, zzt. St. Petersburg
Modernisierungspartnerschaft, Visumsfreiheit, Energie-Liberalisierung - viele Themen auf der Petersburger Tagesordnung sind nicht neu. Von einem Routinegipfel kann aber trotzdem keine Rede sein. Dazu gibt es zurzeit zu viele drängende Fragen: die Euro-Krise, die Proteste in Russland, der Syrien-Konflikt.
"Schwierige Fragen sind in unserem Verhältnis keine Seltenheit. Was aber nicht verwunderlich ist: Die Europäische Union ist für niemanden ein einfacher Gesprächspartner", gab der Vertreter Russlands bei der EU, Wladimir Tschischow im Vorfeld des Gipfels offen zu. Zu selten spreche die Union mit einer Stimme.
Streitthema Syrien
Selbst in der Syrienfrage gehen die Meinungen innerhalb der EU zurzeit weit auseinander. Der neue französische Präsident Francois Hollande hatte zuletzt einen militärischen Einsatz nicht mehr ausgeschlossen. Er fordert den Rücktritt der Assad-Regierung. Kanzlerin Angela Merkel ist dagegen für eine politische Lösung.
Einig sind sich beide allerdings, dass Russland mehr Druck auf die syrische Regierung ausüben sollte. Russland lehnt schärfere Sanktionen bisher ab und betont seinerseits, dass der Westen endlich aufhören müsse, einseitig Partei zu ergreifen und damit die Umsetzung des Friedensplans des UNO-Sondergesandten Kofi Annan zu erschweren.
"Leider müssen wir immer wieder beobachten, dass zwar einige Länder davon sprechen, den Friedensplan Annans zu unterstützen, aber entgegengesetzt handeln", so Tschichow. Er hoffe inständig, dass die Regierungen der europäischen Länder - und hoffentlich auch andere - über genügend Kaltblütigkeit verfügten, um die Situation nüchtern zu überdenken. Und, dass sie keinen gefährlichen Weg einschlügen, die Spannung erhöhten oder sogar militärisch eingriffen.
Russland besorgt über Euro-Krise
Wohlüberlegtes Handeln erwartet die russische Führung auch in einer anderen Frage. Die anhaltende Währungskrise in der EU wird vom Kreml mit Sorge beobachtet. Und das nicht ohne Grund, meint Premier Dimitri Medwedjew: Der EU-Anteil am russischen Handelsumsatz beträgt etwa 50 Prozent. "Das sind riesige Summen. Das sind Milliarden Euro. Unsere Devisenreserven sind zum großen Teil in Euro angelegt. Natürlich ist es uns absolut nicht gleichgültig, was in diesem Bereich passieren wird."
Abschaffung des Visumszwangs bis 2014?
In diesem Zusammenhang dürfte auch über den bevorstehenden Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation und - einmal mehr - über die Abschaffung des Visumszwangs gesprochen werden. Der Dialog, bedauerte Tschischow, gestalte sich schwieriger als erwartet.
Dennoch zeichne sich eine Lösung, ein Termin ab: "Eine nicht künstliche Zeitgrenze wären aus meiner Ansicht die Olympischen Spiele in Sotschi 2014. Wenn wir es bis zu diesem Zeitpunkt schaffen, uns über die Parameter für Visumsfreiheit zu einigen, dann wäre das ein Erfolg, der durchaus eine Medaille wert ist."
Bis dahin muss jedoch noch der ein oder andere Verhandlungsmarathon absolviert werden. Beide Seiten beteuern, dass sie heute einen offenen Dialog führen wollen. Hitzige Debatten hinter verschlossenen Türen sind angesichts der komplexen Themen nicht ausgeschlossen.