EU-Parlament stimmt Überwachungssystem zu Neue Mauern um die Festung Europa?
Das EU-Parlament hat "Eurosur" zugestimmt. Bei dem Überwachungssystem geht es um einen besseren Informationsfluss zwischen nationalen Grenzbehörden. Ziel ist aber - zumindest offiziell - nicht nur die Bekämpfung der illegalen Einwanderung.
Die Bezeichnung "Eurosur" steht für Europäisches Grenzüberwachungssystem - natürlich mit dem Ziel, die illegale Einwanderung besser in den Griff zu bekommen. Nur eine Woche nach der Tragödie von Lampedusa erweckt dies natürlich den Eindruck, dass Europa noch rücksichtsloser gegen Bootsflüchtlinge vorgehen will.
Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel stellte aber klar, dass es bei Eurosur nicht darum geht, jetzt mit neu angeschafften europäischen Drohnen und Schnellbooten Jagd auf Flüchtlinge zu machen: "Eurosur ist ein Programm zum Informationsaustausch. Das heißt, es ist der Versuch, möglichst früh Erkenntnisse darüber zu bekommen, wo sich Flüchtlingsströme, aber auch Gruppen der Organisierten Kriminalität finden, welche Wege der Grenzüberschreitung sich entwickeln, um reagieren zu können."
"Eurosur" hilft "Frontex"
Mit anderen Worten: Es geht um mehr Kooperation der nationalen Grenzschutzbehörden. Diese sollen Informationen an die europäische Grenzschutzagentur "Frontex" liefern. "Frontex" erstellt dann daraus ein europäisches Lagebild.
Manfred Weber von der CSU findet, es sei höchste Zeit, dass die EU da mehr zusammenarbeitet: "Wir haben derzeit an der europäischen Außengrenzen einen Flickenteppich von Zuständigkeiten. Teilweise ist es nicht möglichst, dass die Grenzbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten überhaupt die gleiche Funktechnik nutzen, um miteinander zu kommunizieren. Was wir mit "Eurosur" erreichen wollen ist, die technische Kapazität an der Außengrenze zu standardisieren, zu harmonisieren, damit der Außenschutz optimaler funktioniert.
"Nicht nur Kriminalitätsbekämpfung im Fokus"
Schon vor dem neuerlichen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer drängten die EU-Parlamentarier darauf, dass in die "Eurosur"-Verordnung als Ziel auch die Rettung von in Not geratenen Menschen hineingeschrieben wird - mit Erfolg, sagt SPD-Innenexpertin Sippel: "Wir haben es nach einigen Verhandlungen geschafft, sicher zu stellen, dass der Informationsausstausch nicht zur Grenzsicherung im Sinne von Kriminalitätsbekämpfung genutzt wird, sondern auch zum Schutz des Lebens von Flüchtlingen." Damit sei auch gesichert, dass Flüchtlinge sicher an Land gebracht werden müssen, um dort erst festzustellen, welchen konkreten Status sie haben.
Auch der Chef der FDP-Abgeordneten im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, sieht das so: "Es geht darum, zu verhindern, dass immer mehr Menschen in ihren Nussschalen vor Europas Küsten kentern und da kann Eurosur einen Beitrag zu leisten."
Seenotrettung nur zur Zierde?
Die Fraktionen der Grünen und der Linken sind davon aber überhaupt nicht überzeugt. Grünen-Innenexpertin Ska Keller hält die Seenotrettung lediglich für schmückendes Beiwerk: "Es ist gut, dass es da drin steht - aber wenn man sich die ganzen Details ansieht, wer zu welchem Zweck mit wem kooperiert und welche Kapazitäten wofür eingesetzt werden, dann geht es nur um Abwehr von illegaler Migration und nie um Seenotrettung."
Die Linken hatten Änderungsanträge eingebracht, die "Eurosur" zu einem regelrechten Seenotrettungsprogramm umfunktioniert hätten. Und sind damit natürlich nicht durchgekommen, wie Cornelia Ernst bedauert: "Das ist tatsächlich ein neues Überwachungssystem, im grenznahen Bereich, was auch ausgeweitet werden kann. Wir glauben, dass das nicht notwendig ist. Es gibt genügend Überwachung an den Außengrenzen."
"Eurosur" soll ab Anfang Dezember einsatzfähig sein, und zwar in einer ersten Stufe im Mittelmeer. 250 Millionen Euro werden dafür aus dem EU-Haushalt bereitgestellt, und zwar über die sieben Jahre von 2014 bis 2020. Grüne und Linke sind aber davon überzeugt, dass die wirklichen Kosten näher an einer Milliarde liegen.