Streit um Varosha Zypern-Konflikt wird Fall für den Sicherheitsrat
Bei einem Besuch in Nordzypern hat der türkische Präsident Erdogan die Öffnung des kleinen Ortes Varosha angekündigt - ein Verstoß gegen das UN-Mandat und eine Provokation für die Republik Zypern. EU und USA reagierten besorgt.
Im Konflikt um die geteilte Insel Zypern will die Regierung in Nikosia den Weltsicherheitsrat anrufen und eine außerordentliche Sitzung beantragen. Das sagte der zyprische Außenminister Nikos Christodoulidis im zyprischen Staatsrundfunk.
Grund ist die am Dienstag erfolgte Ankündigung Nordzyperns, einen Teil der Küstensiedlung Varosha im Nordosten der Insel zu öffnen. Der zu der Stadt Famagusta gehörige Ort ist seit der Teilung Zyperns militärisches Sperrgebiet. Die Militärzone trennt den griechischen Teil der Insel im Süden vom türkischen im Norden und darf nicht betreten werden - Varosha ist eine Geisterstadt.
Erdogan spricht von "neuer Ära"
UN-Resolutionen sehen eigentlich vor, dass Varosha unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt und an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wird, die 1974 nach der türkischen Militärintervention von dort geflohen waren.
Nun wollen die türkisch-zyprischen Behörden Varosha - auf türkisch Maras - aber offenbar unter ihre Kontrolle bringen und wieder besiedeln - mit Unterstützung der türkischen Regierung. Bei einem Besuch in Nordzypern am Dienstag sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan: "In Maras wird eine neue Ära beginnen, von der alle profitieren." Diese Ankündigung könnte ein weiterer Versuch der Türkei sein, auf eine Zweistaatenlösung für die Insel hinzuarbeiten, auf die das Land seit der Teilung Zyperns 1974 setzt.
Bereits im November 2020 hatten die nordzyprischen Behörden ein Stück des Strandes in Varosha für Tagesbesuche geöffnet - ein Manöver, das von der Republik Zypern als Provokation aufgefasst worden war. Eine Wiederbesiedelung ginge darüber aber weit hinaus.
Anastasiades: "Illegal und inakzeptabel"
Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades bezeichnete das Vorgehen in Varosha als "illegal und inakzeptabel". Außenminister Nikos Christodoulides sagte: "Das ist ein klarer Bruch der UN-Resolutionen und wird einen Neustart der Gespräche erschweren."
Die griechischen Zyprer repräsentieren Zypern insgesamt nach außen. Sie fürchten, dass türkische Zyprer mit Hilfe der Türkei eine Abtrennung vorantreiben wollen. Eigentlich waren neue Gespräche geplant, um das Verhältnis zu verbessern.
Geteilt seit 1974
Der Streit spielt sich vor dem Hintergrund der jahrzehntealten Teilung der Insel und Trennung der Bevölkerung in griechische und türkische Zyprer ab. Die Türkei hält den Norden der Insel seit 1974 besetzt. Damals hatten griechische Putschisten den Anschluss der gesamten Insel an Griechenland durchsetzen wollen. Türkisches Militär wehrte dies ab und kontrolliert seither den Norden.
Die dortige Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei, nicht aber von der internationalen Gemeinschaft als Staat anerkannt. Umgekehrt unterhält die Türkei keine diplomatischen Beziehungen zur international anerkannten zyprischen Regierung. Die Republik Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU.
Internationale Kritik an der Öffnung
International riefen die Pläne zur Wiederöffnung Varoshas Empörung hervor. Deutschland rief die Türkei auf, sich an alle UN-Resolutionen zu halten und "die Kontrolle über den Ort der UN-Mission zu übertragen". Einseitige Schritte seien "alles andere als hilfreich", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das türkische Vorgehen gefährde "die Fortschritte der letzten Monate in den EU-Türkei-Beziehungen" und erschwere die Bemühungen um die Wiederaufnahme der Zypern-Gespräche.
US-Außenminister Antony Blinken nannte die Ankündigung provokativ und inakzeptabel. Er sagte, "die Vereinigten Staaten arbeiten mit gleichgesinnten Partnern zusammen, um diese besorgniserregende Situation an den UN-Sicherheitsrat zu verweisen und werden auf eine entschlossene Reaktion drängen". Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warf Erdogan eine "Provokation" vor. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte Erdogans Vorgehen zuvor bereits als "inakzeptable einseitige Entscheidung" verurteilt. Die Türkei wies die Kritik als "null und nichtig" zurück.