Ausstellung in Amsterdam Hype um Vermeer
Das Rijksmuseum Amsterdam stellt seit Anfang Februar fast alle Gemälde Vermeers aus. Das gilt in der Kunstszene als Sensation. Die Ausstellung ist schon lange ausverkauft, das Publikum kommt aus aller Welt.
Jan Vermeer ist in Amsterdam dieser Tage nicht zu übersehen. An der prächtigen Backsteinfassade des Rijksmuseums sind metergroß zwei Details aus den bekanntesten Werken des Barockmalers angebracht: die zarten, halb geöffneten Lippen vom "Mädchen mit rotem Hut" und die aus einem Tonkrug triefende Milch von der "Dienstmagd mit Milchkrug". Die Plakate zeigen nur einen Bruchteil dessen, was zurzeit im Philips-Flügel des Museums ausgestellt ist.
Größte Werkschau aller Zeiten
Mit 28 der nur 37 erhaltenen Werke Vermeers, die das Rijksmuseum versammelt hat, ist es die größte Werkschau des Künstlers aller Zeiten. Noch nie zuvor waren so viele Gemälde des niederländischen Altmeisters an einem Ort zu sehen.
Experten vermuten, dass dies auch nie wieder einem Museum gelingen wird. Der Andrang ist entsprechend riesig: Aus aller Welt reisen Vermeer-Liebhaber und Kunstfans an. Bereits vor Eröffnung wurden 200.000 Tickets verkauft, das Museum weitete die Öffnungszeiten aus. Mittlerweile ist die Ausstellung endgültig ausverkauft, mehr als eine halbe Million Menschen werden erwartet.
Der Andrang auf die größte Vermeer-Ausstellung aller Zeiten ist riesig. Drei Tage nach der Eröffnung waren die Eintrittskarten ausverkauft.
Größtes Rätsel der Kunstgeschichte
Trotz modernster Untersuchungstechnik und wissenschaftshistorischen Einordnungen gilt Vermeer bis heute als größtes Rätsel der Kunstgeschichte. Experten nennen ihn die "Sphinx von Delft".
Niemand weiß genau, wie viele Gemälde sein Werk ausmacht; niemand weiß, von wem er seinen außergewöhnlichen Umgang mit dem Licht lernte; niemand kennt die Modelle und Orte, die Vermeer fast fotorealistisch abbildete.
Dieser Mythos um die Person des Malers wurde schon 2003 von Hollywood aus befeuert. Der Film "Girl with a Pearl Earring" zeigt das Leben des Altmeisters in Delft - inklusive fiktiver Antworten auf die bis heute ungelösten Fragen. Die Legendenbildung machte Vermeer auch in der popkulturellen Szene berühmt und lockt viele der Besucher nach Amsterdam.
Das Rijksmuseum selbst besitzt nur vier Meisterwerke Vermeers. Alle weiteren Gemälde sind weltweit auf 19 Museen und Privatsammlungen verstreut.
Fünf Gemälde aus Deutschland
Das Rijksmuseum selbst besitzt nur vier Meisterwerke Vermeers. Alle weiteren Gemälde sind weltweit auf 19 Museen und Privatsammlungen verstreut. Das Amsterdamer Museum ist daher auf Leihgaben angewiesen, darunter auch aus Deutschland.
Die Gemäldegalerie Alte Meister Dresden stellte das "Brieflesende Mädchen am offenen Fenster" und "Die Kupplerin" zur Verfügung, das Staatliche Museum zu Berlin sandte "Das Glas Wein" und "Frau mit Perlenkette", das Städel Museum in Frankfurt am Main schickte den "Geografen" nach Amsterdam.
Experten nennen Vermeer im Vergleich einen "langsamen Künstler": Er hat nur etwa zwei Werke pro Jahr geschaffen, konnte von seiner Kunst dennoch leben.
Welthandel für Farbpigmente
Im Keller des Rijksmuseums forschen Gemälderestauratoren derweil mit Infrarotkameras an den Werken des Künstlers. Die Aufnahmen machen Pinselstriche in Schichten erkennbar, die unter der sichtbaren Farbe liegen. Bei der "Dienstmagd mit Milchkrug" stießen die Experten dabei auf die Abbildung eines Regals, an dem Krüge hängen. Vermeer übermalte dieses später wieder und entschied sich für einen einfachen, weißen Hintergrund.
Im Mauritshuis in Den Haag, der Heimat des weltberühmten "Mädchen mit dem Perlenohrgehänge", gingen die Forschungen sogar noch weiter: Mit einer dünnen Nadel stachen sie durch die Leinwand des wertvollen Gemäldes, um feine Farbpigmente zu extrahieren. Diese Farbpigmente lassen sich nun in alle Welt zurückverfolgen.
Das von Vermeer im Kopftuch des Mädchens verwandte Ultramarin kam aus Afghanistan und war im 17. Jahrhundert wertvoller als Gold. Das Rot, welches er für die Lippen verwendete, stammte von einem Insekt, das auf einem Kaktus in Mexiko lebt, das Weiß des weltbekannten Ohrrings aus den Bergen Englands. Diese Erkenntnisse verdeutlichen den Welthandel in den Niederlanden im 17. Jahrhundert.
Auch Emmanuel Macron besuchte während des ersten Staatsbesuchs eines französischen Präsidenten in den Niederlanden seit 23 Jahren die Vermeer-Ausstellung in Amsterdam.
Das goldene Zeitalter
Jan Vermeer wurde 1632 im niederländischen Delft geboren. Sein Vater betrieb ein Gasthaus und einen Kunsthandel. Vermeer wuchs zwischen Künstlern und Gemälden auf. Er heiratete die wohlhabende Katharina Bolnes, mit der er 14 Kinder hatte. Vermeer führte den Kunsthandel seines Vaters weiter und wurde selbst Maler.
Auf dem Höhepunkt des Goldenen Zeitalters um 1650 arbeiteten in den Niederlanden circa 700 Maler, die jährlich etwa 70.000 Gemälde fertigstellten. Experten nennen Vermeer im Vergleich einen "langsamen Künstler": Er schuf nur etwa zwei Werke pro Jahr, konnte von seiner Kunst dennoch leben. Im Katastrophenjahr 1672 - die niederländische Republik geriet in eine Wirtschaftskrise - brach der bis dato florierende Kunstmarkt zusammen. Vermeer geriet in große finanzielle Probleme und starb wenig später hochverschuldet im Alter von 43 Jahren.
In Delft erinnert heute nichts mehr an den größten Sohn der Stadt. Vermeers Geburtshaus steht leer, sein Grab wurde nicht erhalten. Statue, Museum oder Gedenktafel suchen Kunstfans hier vergebens.
Ausstellung auch online
Das Amsterdamer Rijksmuseum freut sich unterdessen über das erhebliche Interesse an Jan Vermeer. Nachdem während des Kartenvorverkaufs zeitweise die Server der Website überlastet waren, bietet das Museum dort mithilfe hochauflösender Scans nun eine virtuelle Erkundung an.
Gezeigt werden alle bekannten Werke Vermeers, ergänzt durch neueste Forschungserkenntnisse. Ein kleiner Trost für alle, die keine Tickets ergattern konnten.