Verbrenner-Streit Wissing schlägt EU-Kommission Lösung vor
Verkehrsminister Wissing hat Brüssel eine Lösung im Streit über das geplante Aus für den Verbrennermotor bei Neuwagen unterbreitet. Er strebt einen Weg an, für den es keine Zustimmung von Europaparlament und EU-Staaten braucht.
Im Streit über ein Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der EU-Kommission einen Lösungsvorschlag unterbreitet.
Wie aus einem Brief aus dem Büro des Ministers an das Kabinett von Kommissionsvize Frans Timmermans hervorgeht, dringt Wissing auf einen Weg, für den es keine Zustimmung des Europaparlaments und der EU-Staaten braucht. Zugleich fordert er "kurzfristig rechtlich verbindliche Schritte", wie es in dem Schreiben heißt, das dem ARD-Studio Brüssel vorliegt.
"Delegierter Rechtsakt" soll ergänzen
Konkret schlägt Wissing einen sogenannten delegierten Rechtsakt vor, der die derzeit blockierte Verbrenner-Einigung ergänzen würde. Der erzielte Kompromiss müsste somit nicht geändert werden. Die Europäische Kommission kann einen solchen Rechtsakt verabschieden, anschließend haben Parlament und EU-Staaten zwei Monate Zeit, Einwände zu erheben.
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich eigentlich bereits im Herbst darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Eine für vergangene Woche vorgesehene Bestätigung durch die EU-Staaten wurde wegen Nachforderungen Deutschlands jedoch abgesagt.
Insbesondere die FDP dringt darauf, dass auch nach 2035 noch solche Neuwagen mit Verbrenner zugelassen werden dürfen, die mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, tanken.
Neue Fahrzeugkategorie für E-Fuels
Der Ansatz des Wissing-Hauses sieht nun vor, zuerst im Rahmen der bestehenden Abgasnorm Euro 6 die Möglichkeit für eine neue Fahrzeugkategorie nur für E-Fuels zu schaffen. Wenn das Gesetz zum Verbrenner-Aus in Kraft ist, soll ein delegierter Rechtsakt die Anrechnung dieser "E-Fuels only"-Fahrzeuge auf die Flottenzielwerte ermöglichen.
Die sogenannten Flottengrenzwerte sind Vorgaben für Hersteller, wie viele Treibhausgase neu gebaute Autos im Betrieb ausstoßen dürfen. Eigentlich ist vorgesehen, dass dieser Wert 2035 auf Null sinken soll, was de facto das Aus für neue Verbrenner bedeutet.
Es gibt aber Ausnahmen etwa für besondere Fahrzeuge wie Einsatzwagen oder rollstuhlgerechte Autos. Zuletzt solle "in einem geeigneten Rechtsrahmen" eine Definition für komplett CO2-neutrale Kraftstoffe geschaffen werden, heißt es in dem Schreiben. Das Ministerium bittet die Kommission dabei um die "Entwicklung eines ambitionierten und verbindlichen Zeitplans."
E-Fuels gelten als klimaneutral, sind aber bisher mehr als doppelt so teuer wie herkömmliche Kraftstoffe. Premium-Hersteller wie Porsche und BMW hatten sich aber zuletzt für E-Fuels stark gemacht.
Timmermans bereit für "Interpretation" der Vereinbarung
Timmermans hatte jahrelang dafür gekämpft, Mitgliedsstaaten von dem Aus für Verbrennermotoren zu überzeugen, Parlamentsmehrheiten geschmiedet - dass ausgerechnet Wissing auf der Bremse stand, ärgerte ihn.
Dennoch ließ Timmermans durchblicken, dass eine gesichtswahrende Lösung möglich sei. "Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg finden können", so der niederländische Kommissar, "hin zu einer Interpretation der Vereinbarung, die auch die deutschen Stellen zufriedenstellt."
Mit anderen Worten: Es bleibt bei der Vereinbarung, sie soll auf keinen Fall wieder aufgemacht werden. Sie soll nur anders interpretiert werden. Wie das aussehen könnte, ist allerdings noch unklar.
Mit Informationen von Helga Schmidt, ARD-Studio Brüssel