Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entschädigung für schwangere Asylbewerberin
Eine Hochschwangere hatte in einem Flüchtlingslager auf Samos unter unmenschlichen Bedingungen hausen müssen. So dürfen Schwangere nicht behandelt werden, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun.
Die Frau aus Ghana war im 6. Monat schwanger, als sie mit ihrem Mann im August 2019 in Griechenland ankam. Das Lager auf der Insel Samos war völlig überfüllt. Sie wurden auf den sogenannten "Jungle" verwiesen, einen schlammigen Hügel außerhalb des Lagers. Das Ehepaar musste sich selbst ein Zelt und Decken kaufen.
Frauen ständiger Gefahr ausgesetzt
Das Leben dort war sehr beschwerlich, berichtet Andreas Eibelshäuser, der für das Berliner Anwaltsbüro arbeitetet, das für die Frau Klage erhoben hat. "Man muss sich auch vorstellen, dass, was ganz schlimm für sie war, dass man in diesen Jungle, in diesen Bereich um das Lager herum, keine sanitären Anlagen hatte. Das heißt, sie hat ihre Notdurft irgendwie im Wald verrichten müssen, was für Frauen dort auch nicht ungefährlich ist. Und man muss immer auch Angst haben, dass man in der Nacht einem Übergriff ausgesetzt ist."
Da die junge Frau bereits zwei Fehlgeburten gehabt hatte, wusste sie also, was ihr drohen konnte. Zum Glück brachte ihr Mann ihr immer wieder Wasser zum Waschen ans Zelt. "Dann ist ein Riesenproblem, dass man für alles was man braucht, Essen zum Beispiel, ständig anstehen muss", so Eibelshäuser weiter. "Einen Arzt gibt es da, aber da musste man auch sehr lange anstehen, um gesehen zu werden. Auch sehr schwierig."
Außerdem gab es Spannungen in dem Lager. Es kam zu Ausschreitungen, Steine wurden geworfen. Und dann brannte es auch noch. Abzureisen war keine Option. Der Schwangeren und ihrem Mann war als Flüchtlingen verboten, die Insel zu verlassen.
Eine Aufnahme aus dem Jahr 2021 zeigt einen Blick auf das Flüchtlingscamp "The Jungle" auf Samos.
Entschädigung von 5000 Euro
So dürfen Schwangere nicht behandelt werden, entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und sprach der jungen Frau eine Entschädigung von 5000 Euro zu. Griechenland hatte zugestanden, dass das Lager auf Samos hoffnungslos überfüllt war, mit 35 Toiletten für über 4000 Bewohner. Aber die Regierung verwies darauf, dass die Frau genügend Essen bekommen hätte und auch Zugang zu einem Arzt hatte.
Die Antwort der Richterinnen und Richter kurz und knapp: Sie hätten schon häufiger über Lebensbedingungen in Lagern zu urteilen gehabt, die Rechtsprechung sei klar. Die müsse nicht wiederholt werden. Eindeutig eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, nach der niemand unmenschlich behandelt werden darf.
Im November 2019 kam das Kind im örtlichen Krankenhaus zur Welt, danach durfte die Frau die Insel Samos verlassen. Heute lebt sie in Thessaloniki. Die kleine Mathilda, die nach einer Helferin auf Samos benannt wurde, ist mittlerweile drei Jahre alt. Deswegen wüsste man genau, so Andreas Eibelshäuser vom Anwaltsteam, "so lange braucht der Gerichtshof, bis er darüber entschieden hat".
Aber es ist nicht der letzte Fall zu diesem Thema. Die ehrenamtlich arbeitenden Berliner Juristen, die das Verfahren der Frau begleitet haben, haben für drei weitere Frauen, die damals ebenfalls auf Samos schwanger waren, in Straßburg Klage eingereicht.