Orban provoziert mit Großungarn-Schal Nicht jeder Nachbar kann darüber lachen
Ungarns Regierungschef Orban hat sich bei einem Länderspiel mit einem Großungarn-Schal gezeigt. Länder, die dem Statement-Schal zufolge Territorien an Ungarn abtreten müssten, reagierten amüsiert bis verstimmt.
Die große Fußball-Bühne ist dem ungarischen Ministerpräsidenten derzeit verwehrt. Sein Land konnte sich nicht für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar qualifizieren. Und dennoch schaffte es Viktor Orban, über den Fußball zu provozieren und für einen internationalen Eklat zu sorgen. Es passierte beim Testspiel Ungarn gegen Griechenland, das am vergangenen Sonntag in der Budapester Puskas-Arena stattfand, parallel zum WM-Auftakt.
Orban postete einen Videoclip auf seinen Instagram- und Facebook-Accounts. Der Clip zeigt, wie Orban in einer Loge des Stadions den ungarischen Ex-Nationalspieler und Länderspiel-Rekordhalter Balazs Dzsudzsak begrüßt. Um Orbans Hals hängt dabei ein Ungarnschal, auf dem ein merkwürdiger Umriss des ungarischen Staatsgebiets zu sehen ist. Der Umriss zeigt das Königreich Ungarn in seinen Grenzen vor 1920, vor dem Friedensvertrag von Trianon.
Nicht die erste Provokation Orbans
Auf Orbans Schal ist also ein Ungarn zu sehen, zu dem Gebiete der heutigen Länder Österreich, Kroatien, Serbien, Rumänien, Slowakei und Ukraine gehören. Es ist nicht die erste derartige Provokation - Orban ist Wiederholungstäter. Im Mai 2020 hatte er auf seiner Facebook-Seite einen Post mit einem Globus veröffentlicht, in dem Großungarn eingezeichnet war. Darin wünschte er allen Geschichtsabiturienten "Good luck" für ihre Prüfungen.
Kroatien und Österreich äußern sich belustigt
Der aktuelle Schal-Eklat wurde in den betroffenen Ländern unterschiedlich aufgenommen. Die entspannteste Reaktion kam von Kroatiens Präsident Zoran Milanovic: "Ich kann darüber nur lachen. Orbans Ansprüche gegenüber Kroatien bleiben bei seinen Kreuzfahrten in der Adria im August und dass wir uns da zum Abendessen treffen", so Milanovic, als er von kroatischen Journalisten zu Orbans Schal befragt wurde.
Auch in Österreich wurde über Orbans Besitz-Fantasien gegenüber historisch-ungarischen Gebieten auf österreichischem Boden gewitzelt. Das Außenministerium schrieb auf Nachfrage vom österreichischen Nachrichtensender PULS 24 in einer Stellungnahme: "Eine eilig durchgeführte Recherche im Außenministerium hat ergeben, dass Transleithanien nur in Karten von vor rund 100 Jahren gefunden wurde. Wir werden unsere ungarischen Nachbarn bei nächster Gelegenheit über diese Entwicklung informieren."
Rumänien: Zankapfel Transsilvanien
In Rumänien findet man die Aktion dagegen nicht so lustig. Denn Orbans Schal spricht Rumänien Transsilvanien ab, den Zankapfel, der die Beziehungen der beiden Länder schon sehr lange belastet. Orban tritt regelmäßig in Transsilvanien in ungarisch besiedelten Gemeinden auf. Er unterstützt die Menschen dort finanziell und hat ihnen ungarische Pässe beschafft. Eine Einflussnahme, die die rumänische Regierung nicht gerne sieht.
Für den rumänischen Premierminister, Nicolae Ciuca, passt die Schal-Aktion zu Orbans sonstigem Verhalten. "Es ist nicht das erste Mal, dass er so etwas tut. Wir sollten in dieses Spiel nicht mit einsteigen", sagte Ciuca. Er betonte, dass Rumänien internationales Recht beachten werde. Nur so werde man mit seinen Nachbarn auskommen, so Ciuca.
Ukraine will ungarischen Botschafter einbestellen
In der Ukraine, die seit Februar durch Russland großflächig angegriffen wird, sorgte Orban mit seiner Aktion für eine handfeste diplomatische Verstimmung. Der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleg Nikolenko, kündigte eine Einbestellung des ungarischen Botschafters an. "Die Förderung von Revisionismusideen in Ungarn trägt nicht zur Entwicklung der ukrainisch-ungarischen Beziehungen bei und entspricht nicht den Grundsätzen der europäischen Politik", schreibt Nikolenko auf seiner Facebookseite. Die Ukraine erwarte eine offizielle Entschuldigung von Ungarn.
Von Orban gab es auf seiner Facebook-Seite eine Art Erklärung: "Fußball ist keine Politik. Man sollte nichts herbeireden. Die ungarische Nationalmannschaft ist die Mannschaft aller Ungarn, egal wo sie leben." Nach Einsicht klingt das nicht, eher nach: "Die sollen sich mal alle nicht so haben."