Neuer UN-Menschenrechtskommissar "Ein unmöglicher Job mit zwei Hüten"
Zwischen Fehlgriff und Idealbesetzung: An dem neuen UN-Hochkommissar für Menschenrechte scheiden sich die Geister. Der Österreicher Türk gilt als "stiller Diplomat", seine Kritiker hätten lieber einen Ankläger.
Das wohl härteste Urteil über den neuen Hochkommissar für Menschenrechte kam von Kenneth Roth. Der langjährige Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schrieb über Volker Türk: "Die UNO gab einem ruhigen Diplomaten den falschen Job."
Der österreichische Diplomat habe sich in seiner jahrzehntelangen UN-Karriere noch nie mit öffentlicher Kritik an bestimmten Regierungen hervorgetan. Der Hochkommissar für Menschenrechte aber könne nur mit klaren Verurteilungen von Menschenrechtsverletzungen etwas erreichen. Wie UN-Generalsekretär Guterres setze Türk jedoch lieber auf "stille Diplomatie" als auf öffentliche Anklage.
"Als UN-Insider hat Türk das Vertrauen von Guterres, mit dem er schon früher beim UNHCR zusammenarbeitete. Deshalb bekam er den Posten", sagt Marc Limon, Direktor der Genfer Denkfabrik Universal Rights Group. "Aber viele westliche Staaten und Nichtregierungsorganisationen sind sehr unglücklich mit dieser Wahl. Sie wünschten sich einen Anwalt für die Menschenrechte."
Menschenrechtslage in China als schweres Erbe
Und dies besonders mit Blick auf China. Denn seine Vorgängerin Michelle Bachelet hat Türk eine schwierige Aufgabe hinterlassen. Nur wenige Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit veröffentlichte Bachelet einen Bericht über schwere Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang.
China wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe - und hat sich damit gerade sogar im UN-Menschenrechtsrat durchgesetzt: Eine Mehrheit der Mitgliedsländer lehnte es ab, über den Xinjiang-Bericht auch nur zu debattieren. Umso mehr erwarten nun viele, vor allem westliche Staaten von Türk, dass er die Menschenrechtslage in China zum Thema macht.
Seine Vorgängerin Bachelet hatte von immensem Druck zahlreicher Länder berichtet, die die Veröffentlichung des Xinjiang-Berichts verhindern wollten. Auf Türk lastet nun entsprechend Druck von mehreren Seiten.
Türks Vorgängerin Michelle Bachelet war vier Jahre - eine Amtszeit - UN-Menschenrechtskommissarin.
"Das wird eine schwierige Balance"
Olaf Wientzek ist Leiter des Büros Multilateraler Dialog der Konrad Adenauer Stiftung in Genf. "Es wird kein leichter Einstieg, und er wird seine diplomatischen Fähigkeiten da wirklich ausreizen müssen", erklärt er.
"Um auf der einen Seite nicht sofort einen Teil der Mitgliedschaft gegen sich aufzubringen, indem er den Bericht thematisiert - und auf der anderen Seite nicht die berechtigten Erwartungen vieler Länder, dass er diesen Bericht nicht ad acta legt, zu enttäuschen. Das wird eine schwierige Balance."
"Ideale Besetzung für die Menschenrechte weltweit"
Auch wenn NGOs wie Human Rights Watch skeptisch sind: Möglich sei auch, dass der erfahrene UN-Diplomat Türk als Menschenrechtskommissar genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein werde, meint der Brite Limon. "Wenn es wirklich um Verbesserungen für die Menschenrechte überall in der Welt geht, ist er die ideale Besetzung."
"Er wird keine Schlagzeilen machen, er wird auch nicht geliebt werden von jenen, die sich einen Hochkommissar wünschen, der vom Dach nach unten schreit. Und es wird schwierig für ihn, wenn Länder wie China oder Saudi-Arabien ganz klar nichts verändern und verbessern wollen. Aber er weiß, wie man in der UNO mit Ländern arbeitet, und in vielen Fällen wird seine Methode funktionieren."
Türk beschreibt sich als unerschütterlich optimistisch
Es ist eine Methode, die der UN-Diplomat Türk selbst im Interview einige Wochen vor seiner Ernennung zum Menschenrechtskommissar als unerschütterlich optimistisch beschrieb: "Der Optimismus, der geht mir nicht abhanden. Auch wenn es ganz schwierig ist." Er habe schon so viele Situationen miterlebt, wo man immer vom Pessimismus höre und man sich denke: Das geht ja nicht weiter.
"Es gibt dann auf einmal irgendeinen Moment, wo es sich wieder verbessert. Ich glaube, wir sind halt da fast berufstrainiert, dass man auf diesen Moment wartet und dann ausnützt und dann weitermacht."
Kein Hochkommissar bleibt länger als eine Amtszeit
Kein Hochkommissar, keine Hochkommissarin für Menschenrechte hat bislang länger als eine Amtszeit - in der Regel vier Jahre - durchgehalten.
Für UN-Beobachter Limon ist der Posten des Menschenrechts-Hochkommissars eigentlich ein "unmöglicher Job" mit zwei "Hüten" - also unvereinbaren Aufgaben: Einerseits die Pflicht, mit Regierungen zusammenzuarbeiten und Vertrauen herzustellen - und andererseits die Pflicht zu kritisieren, was wiederum Vertrauen zerstört.
Er sei sicher, so Limon, dass Türk weiß, wie schwierig der Job ist. Er werde wohl in die Fußstapfen von Bachelet treten und beide Hüte tragen. Und vielleicht werde er sogar der erste sein, der zwei Amtszeiten absolviert.