Tote Migranten bei Melilla Scharfe Kritik an Sánchez
Bis zu 2000 Menschen hatten am Freitag versucht, den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Dutzende kamen dabei ums Leben. Die Reaktion von Regierungschef Sánchez sorgt in Spanien für Diskussionen.
Nachdem am Freitag etwa 2000 Menschen versucht hatten, den Grenzzaun bei Melilla zu überwinden, und marokkanische und spanische Beamte alles getan hatten, um das zu verhindern, lobte der spanische Regierungschef den Einsatz: Die Sicherheitskräfte hätten die Situation gut gelöst, sagte Pedro Sánchez.
Dass er dabei mit keiner Silbe darauf einging, dass zunächst 18 Tote gemeldet worden waren - Hilfsorganisationen sprechen von 37 Toten - hatte dem Ministerpräsidenten Kritik eingebracht. Heute legte er in einem Interview in der Tageszeitung "Vanguardia" Empathie nach: Die Regierung bedaure den Verlust des Lebens Verzweifelter, die auf der Suche nach einem besseren Leben Opfer der Schleppermafia geworden seien.
Paloma Favieres von der Nichtregierungsorganisation CEAR, die sich für die Rechte von Migranten einsetzt, sieht die Migranten eher als Opfer eines brutalen und illegalen Polizeieinsatzes: "Wir haben marokkanische Beamte gesehen, die Migranten von spanischem Boden zurück nach Marokko gebracht haben."
Spannungen in der Koalition erwartet
Die Geschehnisse am Grenzzaun und die Reaktion des Ministerpräsidenten darauf dürften auch für Spannungen in der Regierungskoalition sorgen. Bei einer Pressekonferenz heute zog Regierungssprecherin Isabel Rodriguez alle Fragen zum Thema an sich, obwohl sich Medienvertreter an Gleichstellungsministerin Irene Montero vom kleinen Koalitionspartner Unidas Podemos gewandt hatten.
Um solche Ereignisse zu verhindern, gelte es, die Schlepperbanden zu bekämpfen, sagte die Sozialistin Rodriguez, ganz auf der Linie des Ministerpräsidenten.
Heftige Kritik im Parlament
Im Parlament lässt sich das Thema nicht so leicht einfangen. Pablo Echenique, Fraktionssprecher von Unidas Podemos, sagte: "Migrationskontrolle kann nicht in Dutzende Tote vor unserem Haus münden."
Ganz zu schweigen von den knapp 4500 Menschen, die alleine im vergangenen Jahr ertrunken sind, als sie an Frontex und anderen Grenzkontrollen vorbei versuchten, über das Meer nach Spanien zu gelangen.
Forderung nach radikaler Abschottung
Und wenn es schon innerhalb der Koalition Kritik am Ministerpräsidenten gibt - kein Wunder, dass auch die Opposition die Tragödie von Melilla ausschlachtet. Esteban Gonzalez Pons, Vizegeneralsekretär der konservativen Volkspartei, sagte: "Erst empfängt er das Flüchtlingsschiff Aquarius mit offenen Armen, dann lobt er einen Einsatz mit zahlreichen Toten."
Und der Vizechef der ultrarechten Partei Vox, Jorge Buxadé, verlangt geradezu zynisch eine noch radikalere Abschottungspolitik als bisher. Diese, so Buxadé, sei das effektivste Mittel, Tote an der Grenze zu verhindern.
Hinweis der Red.: In einer früheren Version des Beitrags wurde der Name der Gleichstellungsministerin mit Maria Jesus Montero angegeben. Tatsächlich lautet ihr Vorname Irene. Wir haben den Beitrag entsprechend korrigiert.