Scholz zum Antrittsbesuch in Athen Wie Griechenland in der Energiekrise helfen soll
Bundeskanzler Olaf Scholz ist heute zu Gast in Athen. Dabei stehen zwei Themen im Vordergrund: Energie und Verteidigung. In beiden Bereichen könnte Griechenland künftig eine tragende Rolle zukommen.
In Süddeutschland und auch in Österreich gebe es einen großen Bedarf an grüner Energie und auch wenn es keine leichte Aufgabe sei: Griechenland könne diese Energie liefern, so Konstantinos Skrekas, griechischer Energieminister, vergangene Woche auf einer Fachkonferenz in Athen. Dafür müsste eine Leitung durch Albanien und andere Balkanländer gebaut werden.
Ein ambitioniertes Projekt, das viele noch vor einem Jahr als reines Wunschdenken abgetan hätten. Doch mittlerweile scheint so ein Vorhaben durchaus realisierbar, meint Kostas Lavdas Politikwissenschaftler an der Panteion Universität in Athen: "Die russische Aggression gegen die Ukraine hatte zweifellos eine Reihe unbeabsichtigter Folgen. Und eine dieser unbeabsichtigten Folgen war eine Strategieänderung der europäischen Länder, insbesondere Deutschlands, in Bezug auf die Energieabhängigkeit. Und Griechenland wird zu einem wichtigeren Knotenpunkt für Europas als Ganzes werden, denke ich."
Gaslieferungen aus Russland ersetzen
Bis zum Jahr 2030 will Griechenland 70 Prozent seines Stromverbrauchs über erneuerbare Energien decken. Außerdem sind Unterwasserleitungen aus Ägypten und Israel geplant, die Strom aus Sonnenenergie über Zypern nach Griechenland transportieren sollen.
Eine entscheidende Rolle soll zudem der nordgriechischen Hafenstadt Alexandroupoli bei den griechischen Energieplänen zukommen: Über den südlichen Gaskorridor - ein Verbund mehrerer Pipelines - gelangt Gas von Aserbaidschan über Georgien und die Türkei nach Griechenland. Von Alexandroupoli wiederum führt die Transadriatische Pipeline über Albanien nach Italien.
Außerdem entsteht in der Hafenstadt gerade ein Terminal für verflüssigtes Erdgas, LNG, das die Balkanregion versorgen soll. Und dann ist da noch ein Mega-Projekt, das eigentlich schon vom Tisch war. In diesem Zusammenhang werde die Eastmed-Pipeline wieder zu einer interessanten Möglichkeit, so Lavdas. "Es ist zwar nicht so, dass wir erwarten, dass sie sofort realisiert wird. Aber es ist eine Option, die aufgrund des Krieges in der Ukraine wieder in greifbare Nähe gerückt ist."
Die Eastmed-Pipeline sollte zunächst Erdgas, später Wasserstoff, aus dem Nahen Osten über Zypern und Kreta aufs griechische Festland und von da aus weiter nach Italien bringen. Lange gab es Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Doch nun könnte Eastmed Europa helfen, die Gaslieferungen aus Russland zu ersetzen - so zumindest die Hoffnung.
Griechenland gewinnt an militärischer Bedeutung
Doch Griechenland wird nicht nur in Sachen Energie als Schnittstelle zwischen Europa, Asien und Afrika immer wichtiger, sondern auch militärisch: Vor allem die USA konzentrieren sich zunehmend auf Griechenland, so Politikwissenschaftler Lavdas: "Es besteht kein Zweifel daran, dass die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren noch besser geworden sind. Griechenland hat in einer Reihe von Fragen konsequent eine Pro-NATO-Position eingenommen, nicht nur nach der russischen Invasion in der Ukraine, sondern auch schon vorher, zum Beispiel in Bezug auf die Rolle des westlichen Balkans innerhalb der europäischen Familie."
Doch das ist nicht der einzige Grund für das aktuell besonders gute Verhältnis: Schon seit längerem werden in den USA Vorwürfe laut, dass in der östlichen Mittelmeerregion die Türkei kein verlässlicher Partner mehr sei. Griechenland positioniert sich hier als vertrauenswürde Alternative.