Proteste gegen Ukraine-Krieg Fast 6000 Festnahmen in Russland
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden bei Protesten in Russland gegen den Ukraine-Krieg bislang mehr als 5900 Menschen festgenommen. Zudem kritisiert Amnesty die zunehmende Zensur der russischen Medien.
Bei Protesten gegen den Einmarsch in die Ukraine sind nach Angaben von Amnesty International bislang mehr als 5900 Menschen in ganz Russland festgenommen worden. Die Zahlen stammen laut Amnesty von der russischen Menschenrechtsorganisation OVD-Info. Die Organisation beobachtet Demonstrationen in Russland und unterstützt bei Festnahmen Betroffene mit Informationen und rechtlichem Beistand.
Proteste von Russinnen und Russen gegen den Krieg gab es in den vergangenen Tagen demnach an mindestens 67 Orten. Allein am Sonntag seien bei Friedensdemonstrationen in mehr als 50 Städten mindestens 2710 Personen abgeführt worden, teilte die OWD-Info mit.
Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor
Das Entsetzen über den Krieg des eigenen Landes gegen die Ukraine ist auch in Russland bei vielen Menschen groß. Allerdings gehen die russischen Sicherheitskräfte vielerorts brutal gegen Demonstranten vor.
In Sankt Petersburg, wo sich am Sonntag Hunderte im Stadtzentrum versammelten, ergriffen Polizisten Berichten zufolge einen Demonstranten nach dem anderen und zerrten sie in Polizeifahrzeuge - obwohl die Demonstration friedlich verlief und es keine Zusammenstöße gab. Aufnahmen aus Moskau zeigten, wie Polizisten mehrere Demonstrantinnen erst zu Boden warfen, bevor sie sie wegzogen.
"Behörden stürzen sich tiefer und tiefer in die Unterdrückung"
Die russischen Behörden warnen eindringlich vor einer Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen. Russland trete das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlungen mit Füßen, kritisierte Marie Struthers, Amnestys Osteuropa-Expertin, diese Warnung.
Der Kreml sei darauf versessen, kritische Stimmen gegen den Ukraine-Krieg zu ersticken und zensiere öffentliche Medien. "Die russischen Behörden stürzen sich tiefer und tiefer in die Unterdrückung, während die öffentliche Meinung gegen den Krieg wächst", sagte Struthers.
Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte seinen Medien verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie "Angriff", "Invasion" und "Kriegserklärung" zu nutzen.
Medien droht die Sperrung
Amnesty kritisierte auch die Zensur der Medien durch den Kreml. Am vergangenen Donnerstag habe die russische Medienaufsichtsbehörde die Medien angewiesen, bei der Berichterstattung über den Krieg nur Informationen aus offiziellen staatlichen Quellen zu verwenden.
Wer sich dieser Anordnung widersetze, müsse mit der Sperrung seiner Webseite und einer Geldstrafe von bis zu 62.600 US-Dollar rechnen, so Amnesty. Unter anderem sei am Samstag die Webseite von "Nastojashchee Vremya" wegen der Verbreitung "unzuverlässiger öffentlich wichtiger Informationen" über den Konflikt gesperrt worden.
Offene Briefe und Petitionen
Als weiteres Beispiel nennt die Amnesty die Absetzung des Fernsehmoderators Ivan Urgant und der Journalistin Elena Chernenko, weil sie einen Antikriegsbrief verfasst hatten. "Inmitten seiner Verzweiflung, abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen, benutzt Russland auch staatlich kontrollierte Unternehmen, um diejenigen mundtot zu machen, die sich gegen den Konflikt aussprechen", hieß es.
Neben Straßenprotesten unterzeichnen zehntausende Russen auch offene Briefe und Petitionen gegen den Krieg, Prominente und TV-Persönlichkeiten warben ebenfalls für Frieden. Eine Online-Petition, die binnen Stunden nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gestartet wurde, kam in vier Tagen auf mehr als 930.000 Unterschriften. Der Kreml spielt die Ablehnung gegen den Krieg in der Bevölkerung aber herunter und betont, der Rückhalt für die Invasion sei viel größer.