Urteil des EGMR Russland soll 130 Millionen Euro an Georgien zahlen
Russland soll in Georgien nach dem Krieg 2008 Folter und Plünderungen zugelassen haben. Der EGMR verurteilte Russland deshalb zu rund 130 Millionen Euro Entschädigung. Dass die Opfer jemals Geld sehen, ist aber unwahrscheinlich.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahr wurde immer wieder daran erinnert, dass die Regierung von Wladimir Putin auch schon früher militärische Gewalt eingesetzt hat - nur eben in weiter entfernten Regionen der Welt. Nun hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte noch einmal mit einem solchen kriegerischen Konflikt beschäftigt, dem Krieg zwischen Georgien und Russland im Jahr 2008 in Südossetien.
Schon lange schwelt der Streit um dieses Gebiet, das in der Mitte von Georgien liegt, aber an Russland angrenzt. Heute ist Südossetien faktisch unabhängig von Georgien, völkerrechtlich wird es aber allgemein weiter dem Land zugerechnet. Im Jahr 2008 versuchte Georgien, militärisch die Herrschaftsgewalt über die Region wiederzuerlangen, wurde aber von russischen Truppen gestoppt. Dieser Krieg dauerte insgesamt nur fünf Tage. Es gelang unter Vermittlung der Europäischen Union, ihn schnell zu beenden.
Georgien: Russland die treibende Kraft
Nach Ende dieses Krieges, so beschwerte sich Georgien später beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), habe Russland geduldet, dass Häuser niedergebrannt und geplündert worden seien. Auch habe es willkürliche Hinrichtungen gegeben und viele Zivilisten seien misshandelt worden.
Haupttäter: Die südossetischen Soldaten in ihrem Hass auf Georgier. Aber russische Soldaten hätten teilweise mitgemacht. Auf jeden Fall habe Russland damals die Hoheitsgewalt über das Gebiet gehabt und sei deshalb verantwortlich.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg ist kein Organ der Europäischen Union. Hinter dem EGMR steht der Europarat. Dort sind auch Staaten Mitglied, die nicht in der EU sind - beispielsweise die Türkei oder das Vereinigte Königreich. Aus diesem Grund kann der EGMR auch für diese Länder verbindliche Entscheidung treffen. Inhaltlich prüfen die Straßburger Richterinnen und Richter, ob die jeweiligen staatlichen Maßnahmen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar sind.
Üblicherweise ist der Weg zum EGMR erst dann eröffnet, wenn auf nationaler Ebene der Rechtsweg ausgeschöpft ist, also kein Rechtsmittel im Land mehr möglich ist. In besonders eilbedürftigen Fällen kann Straßburg aber auch im Eilverfahren vorläufige Entscheidungen treffen. Zumeist geht es in diesen Fällen inhaltlich um drohende Abschiebungen. In der Vergangenheit waren pro Jahr 100 bis 200 solcher Eilanträge erfolgreich.
Von Christoph Kehlbach und Maximilian Bauer, ARD-Rechtsredaktion
In der mündlichen Verhandlung vorm Gerichtshof 2018 wies der Vertreter Georgiens auf die lange Geschichte des Konflikts hin und kritisierte, dass Russland niemals die moderne Demokratie anerkannt und immer wieder versucht habe, das Streben nach Unabhängigkeit in Georgien zu behindern.
Und Russland sei die treibende Kraft hinter all den Kriegsverbrechen in Südossetien gewesen. Echte Friedensstifter würden keine Dörfer bombardieren, Menschen umbringen, Häuser anzünden oder Zivilisten einsperren.
Russland seit 2022 nicht mehr im Europarat
2021 urteilte das Gericht in Straßburg über den Konflikt, damals noch zuständig für beide Länder: Russland habe in der Tat gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Aber erst jetzt entschieden die Richterinnen und Richter, dass Russland auch dafür zahlen muss, nämlich insgesamt knapp 130 Millionen Euro.
Nun hat Russland zwar im letzten Jahr den Europarat verlassen, aber trotzdem, sagt der Gerichtshof, er sei noch zuständig für diesen Streit. Denn die Taten, um die es geht, hätten ja vorher stattgefunden - als Russland eben noch Mitglied war.
Ob die Betroffenen allerdings tatsächlich jemals Geld von Russland erhalten werden, ist eher unwahrscheinlich. Eine gewisse Genugtuung ist es für sie vermutlich dennoch, denn der Gerichtshof hat sogar bestimmt, wie viel Geld pro Kopf zu zahlen ist. Für Opfer von Vergewaltigungen hat er zum Beispiel pro Person einen Betrag von 70.000 Euro festgelegt.