Nach rassistischen Äußerungen Schadensbegrenzung im System Orban
Eigentlich soll es heute beim Besuch von Ungarns Regierungschef in Wien um illegale Migration gehen. Doch nun wird Orbans Treffen mit Österreichs Kanzler Nehammer von seinen rassistischen Aussagen überschattet.
Nachdem Viktor Orban mit seiner Rede im rumänischen Baile Tusnad viel Kritik aus dem In- und Ausland auf sich zog, hat eine Vertraute und Mitarbeiterin des ungarischen Ministerpräsidenten ihren Rücktritt erklärt. Die Situation ist ungewohnt und offensichtlich unangenehm für den sonst so starken Mann in Budapest.
Kurz vor seinem wichtigen Besuch im Nachbarland Österreich ist Orban vor allem mit Schadensbegrenzung beschäftigt, nachdem er die gewohnte Kontrolle verloren hat, vielleicht auch über sich selbst, ganz sicher aber über eine seiner langjährigen politischen Weggefährtinnen: Zsuzsa Hegedüs.
Hegedüs - die bisherige Beauftragte des Regierungschefs für Sozialpolitik - ist vor allem gegen Kinderarmut unterwegs. Sie ist lautstark zurückgetreten. Es ist seit acht Jahren das erste Mal, dass jemand aus der vor allem nach Loyalität ausgewählten Regierungsrunde um Orban zurücktritt.
Noch dazu mit einem offenen Brief, in dem Hegedüs völlig "inakzeptabel" nennt, was der Rechtspopulist Orban am Wochenende an rassistischen Äußerungen von sich gegeben hatte. Im Interview mit dem ungarischen Sender RTL sprach sie von einer "Nazi-Rede" und sagte: "Goebbels hätte so eine Rede halten können."
Holocaust-Anspielung und Rassenideologie
Orban hatte auf dem jährlichen Sommer-Camp seiner rechtspopulistischen Fidesz-Partei gesprochen. Im rumänischen Tusnad, in Siebenbürgen - dort lebt eine verschworene ungarische Minderheit. Orban nutzte das Sommertreffen schon immer gern für programmatische Reden. Diesmal bediente er sich aus dem Erzählbaukasten rassistischer Ideologen, hielt den "europäischen Völkern" jenseits des Karpatenbeckens vor, sie würden sich - anders als Ungarn, Rumänen und Slowaken - "mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen", das sei eine "gemischtrassige Welt", nicht seine Welt.
Die scharfe Kritik daran, vor allem aus dem Ausland, kam zeitverzögert - Orbans Regierungssprecher hatte die rassistische Passage in der englischsprachigen Version ausgeblendet. Zusätzlich wurde ein massiv verstörender, auf den Holocaust anspielender Gas-Witz Orbans bekannt.
Orban weist Vorwürfe zurück
Inzwischen ist Orban auch zu Hause in Ungarn mit scharfer Kritik konfrontiert, vom ungarischen Oberrabbiner, von der Opposition - und von der ehemaligen Mitstreiterin Hegedüs. Die allerdings nicht recht an einen Kontrollverlust des Redners Orban glauben mag. Für sie sei es "eine rassistische Rede", eine "Nazi-Rede". Sie verstehe es nicht.
Den Vorwurf, ein Rassist zu sein, wies Orban inzwischen zurück, in einem Brief an Hegedüs, in dem er auf seine christliche Überzeugung verweist. Orban schreibt - und er duzt Hegedüs wie bisher: "Wir kennen uns ewig und Du kennst meine Auffassung, nach der der liebe Gott jeden Menschen nach seinem Bild erschaffen hat." Schon deswegen sei Rassismus in seinem Fall ausgeschlossen.
Auch diese Reaktion ist höchst ungewöhnlich für Orbans autokratisch regiertes Ungarn. Vielleicht hat es mit einem wichtigen Besuch im Nachbarland Österreich zu tun. Dort sollte es vor allem um Gemeinsamkeiten gehen, in der Abwehr illegaler Einwanderung über die gemeinsame Grenze.
Nehammer soll klare Haltung zeigen
Jetzt wird von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer klare Haltung gefordert. Alles, was mit der Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus zu tun habe, sei für Österreich inakzeptabel, sagt Nehammer. Er werde sich nicht scheuen, das direkte Gespräch zu suchen. Nehammer sprach dann von dem eigentlichen Thema des Orban-Besuchs - 80 Prozent aller irregulären Migranten würden an der ungarisch-österreichischen Grenze aufgegriffen.
Gemeinsame Erfolge bei gemeinsamen Interessen, das wird der Hebel sein, den Orban auch in Wien wieder ziehen will.