Regierungsbildung in Wien Österreich steuert auf erste FPÖ-geführte Regierung zu
Nach dramatischen Tagen zeichnet sich in Österreich eine Regierungskoalition der rechtspopulistischen FPÖ mit der konservativen ÖVP ab. Bundespräsident Van der Bellen spricht zur Stunde mit FPÖ-Chef Kickl.
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist politische Krisen gewohnt. Er hat das Land auch schon durch den Ibiza-Skandal gelotst. Und mit stoischer Ruhe führt Van der Bellen auch durch die neuerliche politische Krise in Österreich.
"Wenn ich etwas gelernt habe in meiner Zeit als Bundespräsident der Republik Österreich, dann ist es, dass es wirklich immer wieder neue Situationen gibt", stellte der 80-Jährige seinen Ausführungen darüber vorweg, wie es nun in der Alpenrepublik weitergehen soll.
Das Scheitern der Regierungsverhandlungen sei auch für ihn überraschend gekommen, so Van der Bellen am Sonntag weiter. Durch den Rücktritt von Karl Nehammer als ÖVP-Chef und Kanzler habe sich die Situation geändert. Die Stimmen in der ÖVP, die sich gegen eine Koalition mit der FPÖ aussprechen würden, seien deutlich leiser geworden:
Das wiederum bedeutet, dass sich möglicherweise ein neuer Weg auftut, der so davor nicht existierte. Und aus diesem Grund habe ich den Parteichef der Freiheitlichen Partei, Herrn Herbert Kickl, angerufen und vereinbart, dass wir uns morgen um 11 Uhr treffen, um die neue politische Situation zu besprechen.
ÖVP offen für Gespräche
Politische Beobachter glauben, dass damit einer Koalition der rechtsradikalen Wahlsiegerin FPÖ mit der ÖVP als Juniorpartner nichts mehr im Wege steht. Die Volkspartei zeigte sich dafür jedenfalls offen. Ihr neuer geschäftsführender Parteichef Christian Stocker sprach sich dafür aus, dass Kickl nun den Auftrag bekommt, Gespräche über eine Regierungsbildung zu führen. "Wenn wir zu diesen Gesprächen eingeladen werden, dann werden wir diese Einladung auch annehmen", sagte er. "Dazu wurde ich heute auch vom Bundesparteivorstand ausdrücklich ermächtigt."
Für den Politik-Analysten Peter Filzmaier ist die Lage damit einigermaßen klar:
Ich habe herausgehört: Es wird wohl einen Regierungsbildungsauftrag für Herbert Kickl geben, so nicht beim morgigen Treffen mit dem Bundespräsidenten von Kickl etwas ganz Unerwartbares um 11 Uhr passiert. Und die ÖVP wird in Koalitionsverhandlungen mit der Freiheitlichen Partei eintreten. De facto ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses dieser Verhandlungen groß.
Auch Stocker hatte sich im Wahlkampf zwar stets gegen eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl ausgesprochen. Filzmaier erinnert aber daran, dass die ÖVP schon in einigen Wahlkämpfen Absagen an die FPÖ erteilt hatte, nur um dann doch mit ihr zu regieren: "Die ÖVP ist Wiederholungstäter. Das kann man jetzt je nach persönlicher Meinung und Positionierung als Zusammenarbeit mit der FPÖ gut oder schlecht finden. Aber dass es Wiederholungstaten sind, steht außer Streit."
"Brauchen Regierung mit stabiler Mehrheit"
Auch der Bundespräsident hatte mehrfach betont, sich eine Regierung ohne die FPÖ unter Kickl zu wünschen. Van der Bellen hatte Kickl 2019 im Zuge der Ibiza-Affäre als Innenminister entlassen. Doch darum gehe es nun nicht, sagte er heute: "Es geht darum, dass Österreich eine Regierung bekommt, die handlungsfähig ist. Es geht darum, dass wir ein gemeinsames Bild haben, von einem Österreich, in dem wir leben wollen. Wir brauchen eine Bundesregierung mit einer stabilen Mehrheit."
Van der Bellen betonte zugleich, er werde darauf achten, dass die Grundpfeiler der österreichischen Demokratie respektiert würden. Diese Grundpfeiler hatte Van der Bellen im Zusammenhang mit der FPÖ schon mehrfach angemahnt.
Kommt Blau-Schwarz zustande, könnte er der erste Bundespräsident werden, der eine FPÖ-geführte Regierung vereidigt. Kickl selbst äußerte sich heute schriftlich über Facebook: Er will vor dem Treffen mit Van der Bellen nicht öffentlich Stellung beziehen.