Experten zur Oder-Katastrophe Hoher Salzgehalt ursächlich für Fischsterben
Experten gehen von einer menschengemachten Katastrophe aus: Erst stieg der Salzgehalt extrem an, dann kam die Algenblüte. Dies führte dann zum Fischsterben in der Oder. Zu dieser Schlussfolgerung kommen das Umweltbundesamt und andere Behörden.
Es ist wohl eine Art Kettenreaktion gewesen, die Forschern zufolge zum Fischsterben in dem deutsch-polnischen Grenzfluss führte: Erst stieg offenbar der Salzgehalt in der Oder sprunghaft an. Der wiederum führte dann zu einer massive Vermehrung einer Brackwasseralge, die für Fische tödlich ist. Dies sei die "plausibelste Hypothese", heißt es in einem Bericht des Umweltbundesamts und anderer Behörden.
Verursacher der Salzeinleitung ist unklar
Die Forscher bestätigten damit die bisher schon vermuteten Annahmen zu den Ursachen der Umweltkatastrophe. Das Umweltministerium betonte, dass eingeleitetes Salz zur Massenvermehrung der Brackwasseralge Prymnesium parvum geführt habe. Diese habe wiederum eine giftige Substanz erzeugt, die zum massiven Tod der Fische sowie anderer Organismen wie Schnecken und Muscheln geführt habe.
Dem Bericht zufolge konnten die Forscher den Verursacher der Salzeinleitung nicht ausmachen. Die genaue Quelle der Salze, anderer Elemente und Chemikalien sei unklar, heißt es dort.
Hohe Temperaturen, wenig Regen und Herbizide
Insgesamt deuteten die Analysen auf "multikausale Wirkmechanismen" hin, die zum massiven Verenden der Tiere geführt hätten. Hohe Temperaturen und eine geringe Niederschlagsmenge hätten die Lage verschärft, weil die Konzentration der schädlichen Stoffe dadurch gestiegen sei. Die Experten stellten auch Herbizide fest, bei denen es sich "mit hoher Wahrscheinlichkeit um industrielle Einleitungen" handele. Die akuten Vergiftungen seien aber daraus nicht ableitbar, hieß es.
Ein toter Fisch treibt im Sommer 2022 während des Fischsterbens in der Oder
Einleitungen von Kläranlagen
Die Analyse von mehr als 1200 bekannten Stoffen und Elementen habe ergeben, dass die nachgewiesenen Stoffe "typischerweise aus Einleitungen von industriellen oder kommunalen Kläranlagen" stammten. Nähere Details dazu nennt der Bericht nicht.
Um künftigen Katastrophen dieser Art vorzubeugen, empfehlen die Wissenschaftler unter anderem, weitere Forschung zur Ausbreitung der Brackwasseralge zu betreiben und das grenzüberschreitende Warn-und Meldesystem zu verbessern. Auch vorhandene Genehmigungen für Einleitungen von Stoffen in Gewässer sollten überprüft werden.
Lemke: Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft
Bundesumweltministerin Steffi Lemke setzt bei der Ursachensuche auf die Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft, weil die polnische Arbeitsgruppe die genauen Verursacher der Salzeinleitungen bisher auch nicht identifizieren konnte. "Die polnische Arbeitsgruppe hat sich sehr stark auf die Algenblüte konzentriert, aber klar ist, dass diese Algenblüte nicht in dieser Form aufgetreten wäre, wenn nicht die zu hohe Salzfracht im Fluss gewesen wäre", sagte Lemke. "Woher diese hohe Salzfracht kommt, konnten wir nicht identifizieren."
Lemke sagte weiter: "Wir müssen die Einleitungen von Stoffen, zum Beispiel aus Kläranlagen, in Flüsse überprüfen und reduzieren." Sie werde dieses Thema im November mit den Bundesländern besprechen.
Hilfe für die Regionen und Regeneration
Außerdem sagte sie den betroffenen Regionen Hilfe zu. Nun stehe die Regeneration des Flusses im Vordergrund, betonte sie. Ausbaumaßnahmen an der Oder, wie sie Polen seit geraumer Zeit vorantreibt, stünden einer "erfolgreichen Regeneration entgegen", sagte Lemke. Sie stünde hierzu mit ihrer polnischen Kollegin weiter im Austausch.
"Ich werde weiter bei der polnischen Seite dafür werben, auch gemeinsame Maßnahmen zur Regenerierung der Oder zu identifizieren." So sollten beispielsweise Fischer mit einbezogen werden, die einen großen Kenntnisstand davon hätten, wie sich die Oder erholen könne. Lemke mahnte zudem an, dass auch andere Fließgewässer gefährdet seien.
Nach ihrer Ansicht wird es Jahre dauern, bis sich die Oder von der Umweltkatastrophe erholt.
Polen hatte Ende Juli erste Hinweise
Das massive Fischsterben war am 9. August auf der deutschen Seite des Grenzflusses entdeckt worden. Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben schon Ende Juli erste Hinweise darauf. Deutschland warf Polen vor, die Ereignisse nicht frühzeitig gemeldet zu haben.
Eine Mitte August ins Leben gerufene deutsch-polnische Expertengruppe legte keinen gemeinsamen Bericht vor. Stattdessen gibt es nun zwei separate Analysen der jeweiligen Seiten. Polnische Experten hatten am Vortag ihre Erkenntnisse vorgestellt und darin die Ausbreitung der Alge als wahrscheinlichste Ursache für das Fischsterben ausgemacht.
Mit Informationen von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio