Anschlag in Nizza Prozessauftakt gegen mutmaßliche Mittäter
In Paris beginnt das Verfahren zum Attentat von Nizza am 14. Juli 2016. Sieben Männer und eine Frau sind angeklagt. Der Attentäter ist tot. Er hatte mit einem Lkw 86 Menschen umgebracht.
Vier Minuten und 17 Sekunden dauert der tödlichste Teil der zwei Kilometer langen Amok-Fahrt. Im Zick Zack rast der Attentäter mit einem 19-Tonner über die Uferpromenade in Nizza.
"Als wir ihn stoppen konnten, war uns die Dimension des Ganzen noch gar nicht bewusst. Wir sahen nur einen Mann in der dunklen Fahrerkabine, der auf uns schoss", berichtet Ludovic. Der damals 26-jährige Polizist patrouillierte auf der Promenades des Anglais, als Mohamed Lahouaij-Boulel bereits Dutzende Menschen überfahren hat.
Ludovic und seine Kollegen töten den 31-jährigen Tunesier. "Erst als wir unsere Dienstwaffen wieder in den Halfter gesteckt hatten, haben wir bemerkt, dass unter dem Laster Menschen lagen", sagt er.
Traumatisierte Stadt
86 verlieren ihr Leben. Über 400 werden physisch verletzt. Darunter auch 15 Kinder. Die Grausamkeit der Tat aus buchstäblich heiterem Himmel am Abend des 14. Juli 2016 erschüttert ganz Frankreich und hinterlässt eine traumatisierte Stadt.
Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi am Tag nach dem Anschlag: "Ich denke vor allem an die Familien, die ihre Angehörigen verloren haben. Nie werde ich die Bilder dieser kleinen ausgestreckten Kinder-Körper vergessen, die ich da am Boden habe liegen sehen. Das war eine Barbarei, ein wahres Gemetzel." Aufnahmen der Kameraüberwachung werden später zeigen, wie der Attentäter gezielt in eine Gruppe von Kindern an einem Bonbon-Stand steuert.
Der damalige Präsident Francois Hollande muss seinen Landsleuten - nur wenige Monate nach den blutigen Terroranschlägen vom 13. November 2015 - erneut Mut zusprechen. "Frankreich ist von dieser neuerlichen Tragödie tief getroffen", sagte er damals. "Frankreich ist entsetzt - auch von dieser Abscheulichkeit, einen Lastwagen zu benutzen, um zu töten. Aber Frankreich wird immer stärker sein als diese Fanatiker."
Acht mutmaßliche Helfer und Mitwisser
Stärker sein; eine wehrhafte Republik. Dazu zählt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch der Attentäter ist tot. Er soll psychisch krank gewesen sein, depressiv, gewalttätig, und sich erst kurz vor der Tat islamistisch radikalisiert haben.
Den acht mutmaßlichen Helfern und Mitwissern, die ab heute in Paris vor Gericht stehen, kann keine Mittäterschaft an der Amokfahrt angelastet werden. Doch dreien wird vorgeworfen, an einer terroristischen Vereinigung beteiligt gewesen zu sein. Zwei der Männer sollen nur wenige Tage vor dem Anschlag mit dem gemieteten Lastwagen die Strecke abgefahren haben. Beide könnten deswegen zu 20 Jahren Haft verurteilt werden. Dem dritten Hauptangeklagten droht eine lebenslängliche Haftstrafe.
Urteil im Dezember
Er ist Wiederholungstäter. Dem 27-Jährigen wird vorgeworfen, den Kontakt zu den ebenfalls angeklagten Waffenhändlern hergestellt und bei der Anmietung des Lastwagens geholfen zu haben.
"Die Tatwaffe war ein Alltagsgegenstand", betont Olivia Chalus-Penochet, eine der Anwältinnen der Nebenklage. "Ein weißer LKW. Solche sieht man in Ballungsräumen täglich. Das macht dieses Attentat so besonders."
80 der über 850 Nebenkläger haben sich entschlossen, vor Gericht auszusagen. Fünf Wochen lang sollen sie die Möglichkeit bekommen, ihre Erlebnisse zu schildern. Die Urteile werden voraussichtlich Mitte Dezember fallen. In dem Gerichtssaal, wo vor wenigen Wochen die Terroristen des 13. November 2015 verurteilt wurden.