Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, ist während einer Gerichtsverhandlung per Video aus einem Gefängnis zugeschaltet (Archiv).

Inhaftierter Kremlgegner Sorge um Zustand von Nawalny

Stand: 12.04.2023 17:07 Uhr

Mit "sehr großer Besorgnis" hat die Bundesregierung auf Meldungen zur Gesundheit des inhaftierten Kremlkritikers Nawalny reagiert. Dieser war in eine Einzelzelle verlegt worden - trotz einer schweren Erkrankung.

Die Bundesregierung hat sich besorgt über den Gesundheitszustand des inhaftierten russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny geäußert. Man habe Berichte, wonach sich der Zustand des Kreml-Kritikers verschlechtert hat, "mit sehr großer Besorgnis zur Kenntnis genommen", erklärte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Hoffmann.

Die Bundesregierung fordere, dass die "unmenschliche Behandlung, die er offenbar in der Haft erfährt, aufgehoben wird" und Nawalny Zugang zu Ärzten erhalte, so Hoffmann. Davon unabhängig fordere Deutschland weiterhin Nawalnys Freilassung.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt, nannte den Gesundheitszustand von Nawalny "besorgniserregend". "Es wäre nicht das erste Mal, dass der Kreml versucht, die kritische Stimme Nawalnys gezielt zum Schweigen zu bringen", erklärte die FDP-Abgeordnete.

Anwalt berichtet von unbehandelter Krankheit

Trotz Klagen über Nawalnys Gesundheit ist der Oppositionspolitiker erneut in eine Einzelzelle verlegt worden. Am Freitag sei er erst aus der Isolationshaft herausgekommen und am Montag zu weiteren 15 Tagen dort eingewiesen worden, teilte das Team des Oppositionspolitikers auf dessen Telegram-Kanal mit. Zuvor hatte Nawalnys Anwalt berichtet, der Kreml-Kritiker leide an einer nicht diagnostizierten und unbehandelten Krankheit und habe in zwei Wochen mehr als acht Kilo abgenommen.

Seit dem vergangenen Sommer ist es bereits das 13. Mal, dass Nawalny in den so genannten Strafisolator verlegt wurde. Maximal 15 Tage darf ein Gefangener dort eingewiesen werden. In der engen Einzelzelle herrschen besonders schwere Haftbedingungen: So dürfen Gefangene in der Zeit keine Besuche oder Päckchen empfangen und nicht telefonieren. Das Mitbringen von Lebensmitteln und persönlichen Gegenständen ist ebenfalls verboten.

Offenbar noch schärfere Haftbedingungen

Der aktuelle Anlass für die Rückverlegung in die Strafzelle ist nicht bekannt. In der Vergangenheit dienten oft Kleinigkeiten wie ein offener Knopf, ein falscher Gruß oder die auf Kommando nicht schnell genug auf den Rücken gelegten Hände als Vorwand für die Einweisung. Diesmal sind zudem auch andere Haftbedingungen verschärft worden. So sei Nawalnys täglicher Ausgang im engen Gefängnishof auf 7 Uhr morgens verlegt worden.

Den Angaben zufolge gibt es darüber hinaus neue Beschränkungen beim Kauf von Essen und für das Briefeschreiben von Nawalny. Zudem sei im gleichen Zellentrakt eine Nähmaschine aufgebaut worden, damit er den Strafblock nicht einmal zur Arbeit verlassen könne.

Der 46-Jährige sieht nach Angaben auf dem Nawalny-Kanal auf Telegram seine neue Einzelhaft als Strafe für eine Recherche über Korruption in der Gefängnisbehörde. Der von Nawalny gegründete Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK) hatte zuvor einen Beitrag über den überteuerten Ankauf von Lebensmitteln in russischen Gefängnissen veröffentlicht. So sei Kohl - das Hauptnahrungsmittel der Häftlinge - zum mehr als Vierfachen des Großhandelspreises von der Behörde bestellt worden.

Weitere 15 Jahre Haft drohen

Nawalny sitzt seit mehr als zwei Jahren im Gefängnis. Der bekannteste Gegner von Kremlchef Putin war im Sommer 2020 bei einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Er wurde damals im Koma liegend nach Deutschland ausgeflogen, wo er in der Berliner Charité behandelt wurde. Laut dem Investigativnetzwerk Bellingcat steckt der russische Geheimdienst FSB hinter der Vergiftung. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück.

Nach seiner Genesung kehrte Nawalny im Januar 2021 nach Russland zurück und wurde direkt bei seiner Ankunft auf dem Flughafen festgenommen, zunächst wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Urteil. Im vergangenen Jahr wurde er wegen Betrugs zu weiteren neun Jahren Gefängnis unter besonders harten Haftbedingungen verurteilt. Er sitzt im Straflager Melechowo im Gebiet Wladimir etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau.

Derzeit bereiten die Behörden ein neues Verfahren gegen den Politiker wegen mutmaßlicher Bildung einer extremistischen Vereinigung vor. Damit drohen Nawalny weitere 15 Jahre Haft.

Frank Aischmann, ARD Moskau, 12.04.2023 17:43 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. April 2023 um 17:00 Uhr.