Prozesse gegen Organisationen Wie der Kreml Nawalnys Einfluss stoppt
Nawalnys Regionalbüros arbeiten nicht mehr. Auch andere seiner Organisationen sind kaltgestellt. Der Kreml hat wohl einen Weg gefunden, Nawalnys Einfluss zu beschneiden.
Mit emotionalen Worten beginnt Leonid Wolkow, der Leiter von Alexej Nawalnys Regionalbüros, sein YouTube-Video:
Kurz gesagt, es gibt keine Nawalny-Büros mehr. Und für mich, mehr als für alle anderen, ist das ein Schlag in die Magengrube, vielleicht sogar ein Stich ins Herz.
Dann erklärt er, dass die Büros ihre Arbeit einstellen werden. Das trifft Nawalnys Organisation ins Mark, denn die Büros sind so etwas wie ihr Rückgrat. Sie sind ähnlich einer Parteistruktur über ganz Russland verteilt und haben versucht, lokal die Politik mitzugestalten.
Durch das Konzept des "Smart Voting", bei dem die Wähler jeweils dem Kandidaten ihre Stimme geben, der am meisten Chancen gegen den Kandidaten der Kremlpartei hat, schafften es Nawalnys Leute bis in manche Stadtparlamente.
Der Nawalny-Vertrauter Wolkow geht von Haftstrafen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Oppositionellen aus.
Arbeit wegen Prozess beendet
Das gerade laufende Gerichtsverfahren, an dessen Ende Nawalnys Organisation als extremistisch eingestuft werden könnte, setze der Arbeit nun ein Ende, sagt Wolkow: "Die Aufrechterhaltung unseres regionalen Netzwerks in dem heutigen Zustand ist unmöglich. Es wird wegen Extremismus angeklagt, es wird Haftstrafen für Mitarbeiter, Partner und Helfer zur Folge haben."
Auch jede Spende an die Organisation und jedes Verbreiten ihrer Informationen im Netz wären dann strafbar.
Noch bevor das Urteil im Extremismus-Prozess gefallen ist, verboten Staatsanwaltschaft und Gerichte der Organisation bereits, weiterzuarbeiten. Das betrifft neben den Regionalbüros auch Nawalnys "Fonds zur Korruptionsbekämpfung", der regelmäßig in YouTube-Videos Korruption in Russlands Machtapparat aufdeckt.
Geht es im Extremismus-Prozess gegen Nawalnys Organisationsstruktur, gibt es weitere Prozesse direkt gegen ihn und sein Führungsteam: Gerade wurde die Geldstrafe gegen Nawalny von umgerechnet fast 9500 Euro - ungefähr das Doppelte eines durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland - wegen Veteranenbeleidigung im Berufungsverfahren bestätigt.
"Der nackte diebische König will weiter regieren"
In diesem Verfahren war Nawalny das erste Mal seit seiner Verhaftung wieder in der Öffentlichkeit zu sehen, per Videoschalte ins Gericht. Er war kahlgeschoren, abgemagert mit dicken Augenringen.
Seine Schlussworte nutzte er aber wie gewohnt für ein spitzes, politisches Statement: Er sitze in einem Straflager 200 km entfernt von Moskau, dort gebt es keine Straße ohne Schlaglöcher. Und weiter:
Das ist das 21. Jahrhundert in einem an Öl und Gas reichen Land, das führend in der Welt sein will. Der nackte diebische König will weiter regieren, bis zum Ende. Ihm ist das Land absolut egal, aber er krallt sich an ihm fest. Wenn er noch länger an der Macht bleibt, wird einem verlorenen Jahrzehnt ein Jahrzehnt der Unterdrückung folgen.
Nawalnys Team hat außerdem über seine Internetseite mitgeteilt, dass ein weiteres Verfahren gegen ihn und seine zwei bekanntesten Stellvertreter eröffnet worden sei - wegen Gründung einer NGO, die die Persönlichkeit und die Rechte der Bürger verletze. Sollten sie dafür verurteilt werden, dürften alle drei im für sie schlechtesten Fall zwölf Jahre lang nicht mehr bei Wahlen antreten.
Was Festnahmen von Mitarbeitern und große Polizeiaufgebote bei Demonstrationen bisher nicht geschafft haben, scheint dem Kreml nun durch Gerichtsurteile zu gelingen: Nawalnys Arbeit zu stoppen und ihnen eine Teilnahme an Wahlen, zum Beispiel an den Parlamentswahlen im Herbst, unmöglich zu machen.