Großbritannien Unterhaus beschließt Gesetz gegen illegale Migration
Großbritannien will Migranten abschrecken: Wer illegal über den Ärmelkanal kommt, muss mit Internierung, einer Abschiebung nach Ruanda und einer lebenslangen Einreisesperre rechnen. Das Unterhaus beschloss nun das Gesetz.
Das britische Unterhaus hat ein umstrittenes Gesetz beschlossen, das illegal Eingereisten das Recht auf Asyl verwehren und schnelle Abschiebungen nach Ruanda und in andere Drittstaaten ermöglichen soll. In dritter Lesung stimmten 289 Abgeordnete für den Gesetzentwurf zur illegalen Migration, 230 votierten dagegen. Die Regierung Premierminister Rishi Sunak hatte mit verschiedenen Änderungen am "Illegal Migration Bill" eine Reihe von Kritikern in den eigenen Reihen letztlich zur Zustimmung bewogen.
Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, geht es nun zur weiteren Beratung ins Oberhaus. Dort wird einiger Widerstand gegen das Vorhaben erwartet, sodass es zu weiteren Änderungen kommen könnte. Allerdings kann das Oberhaus den Entwurf in letzter Konsequenz nicht blockieren, sondern nur verzögern.
Ungenehmigte Einreisen über den Ärmelkanal stoppen
Geht es nach Sunak und seiner Innenministerin Suella Braverman, sollen alle Menschen, die auf kleinen Booten über den Ärmelkanal das britische Ufer erreichen, interniert und bald darauf nach Ruanda abgeschoben werden. Lebenslang dürften sie dann nicht erneut nach Großbritannien einreisen. In Ruanda sind bereits alle Vorbereitungen für die Umsetzung getroffen worden. Bereits im Sommer 2022 sagte Regierungssprecherin Yolande Makolo, das Land biete rechtliche Unterstützung und Übersetzungsdienste sowie angemessene Unterkünfte.
Das nun im Unterhaus in London gebilligte Gesetz würde generell all jenen einen Anspruch auf Asyl verwehren, die auf illegale Weise ins Land gelangt sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um Flüchtlinge etwa aus Syrien handelt oder um Menschen aus einem als sicher geltenden Herkunftsland, die auf der Suche nach Arbeit nach Großbritannien kommen.
Das Vorhaben solle eine klare Botschaft vermitteln, sagte der Staatssekretär für Einwanderung, Robert Jenrick: "Wenn Sie illegal in das Vereinigte Königreich kommen, werden Sie nicht in der Lage sein, sich hier ein Leben aufzubauen".
Das Gesetz gehört zu den Prioritäten der Regierung Sunak und soll Migranten davon abhalten, in kleinen Booten der Ärmelkanal zu überqueren. 2022 erreichten mehr als 45.000 Menschen auf diesem Weg das Vereinigte Königreich. 2020 waren es noch 8500 gewesen. Bis zum EU-Austritt hatte das Land mit unerwünschter Einwanderung wenig zu tun. Doch seit dem Brexit gibt es kein Rücknahmeabkommen mehr mit der EU und das Thema hat für die Regierung stark an Bedeutung gewonnen.
Widerstand auch innerhalb der Konservativen
Die nun verabschiedeten Pläne sind jedoch auch innerhalb der regierenden Konservativen umstritten. Vor allem dem lautstarken rechten Flügel der Tory-Partei gehen die geplanten Maßnahmen nicht weit genug. Im Fokus ihrer Überlegungen steht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser hatte einen ersten Abschiebeflug nach Ruanda in letzter Minute gestoppt. Notfalls solle Großbritannien die Menschenrechtskonvention verlassen, fordern Tory-Hardliner. Um sie zu besänftigen, baute die Regierung weitere Bestimmungen ein, die einen gerichtlichen Abschiebestopp erschweren sollen.
Andere führende Konservative wie Ex-Premierministerin Theresa May hatten dagegen gewarnt, dass die Pläne, Migranten von der Überquerung des Ärmelkanals abhalten sollten, letztlich dazu führten, dass mehr Menschen in Großbritannien in Formen moderner Sklaverei leben müssten. Derzeit sind mutmaßliche Opfer moderner Sklaverei oder von Menschenhandel vorübergehend vor Abschiebungen geschützt, solange ihr Fall geprüft wird. Das nun gebilligte Gesetz hebt diesen Schutz für jene auf, die illegal nach Großbritannien eingereist sind.
Für Kritik sorgte auch der Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen. Bis zu 15.000 alleinreisende Minderjährige könnten in den kommenden drei Jahren von den britischen Behörden auf Basis des neuen Gesetzes festgesetzt werden, schätzen die Organisationen Refugee Council und Barnardo's. Premier Sunak widersprach dem nicht. Ein Änderungsantrag, der sich mit den Voraussetzungen für die Internierung Minderjähriger und deren Abschiebung beschäftigte, wurde letztlich zurückgezogen.
Internationale Kritik
International stößt das Gesetz auf scharfe Kritik. Die Vereinten Nationen verurteilen den Schritt als Verletzung internationaler Verpflichtungen. Unter der UN-Flüchtlingskonvention, die auch für Großbritannien gilt, hat jeder Verfolgte das Recht, in einem sicheren Land seiner Wahl Asyl zu beantragen - unabhängig davon, wie er dort hingelangt.