Lettische Grenze zu Belarus Metallgitter und Stacheldraht - kilometerweit
Von Belarus aus versuchten jahrelang Zehntausende Migranten, in die EU zu gelangen. Minsk konnte so Druck auf die EU ausüben. Lettland reagierte mit dem Bau eines Grenzzauns. Der ist nun fast fertig - und hat schon Lücken.
Der Winter hat Lettland fest im Griff. Für Grenzschutzoffizier Vladimirs Šersts und seinen Kollegen geht es - umgeben von nichts als Nadelbäumen - im Auto durch den Schnee. Ihr Ziel hier draußen mitten Wald: eines der letzten Löcher im Grenzzaun zum Nachbarn Belarus.
"Wir schauen hier längs der Grenze, ob wir Spuren von illegalen Grenzgängern finden. Fußspuren oder ähnliches, die uns auf illegale Übertrittversuche hinweisen", erklärt Šersts.
Mehrere Lagen Stacheldraht, vergleichsweise einfach zu überwinden, stopfen die etwa 70 Meter lange Lücke provisorisch. Fußspuren im Schnee finden die Beamten dort heute nicht. Šersts ist zufrieden.
Schleuserei-Vorwürfe an Minsk
Bis kurz vor Weihnachten waren bereits 110 Kilometer des Zauns fertig gebaut. 172 Kilometer ist die Grenze lang, die sich Lettland mit dem autoritär regierten Nachbarn Belarus teilt. Anders als in Polen oder Litauen existierte in dem baltischen EU-Staat jedoch bislang keine durchgängige physische Barriere an der Grenze.
Doch die Lage ist seit langer Zeit angespannt, wie Šersts erläutert: "Illegale Versuche, die Grenze von Belarus aus zu überschreiten, sind hier aktuell unsere größte Herausforderung. Das begann 2021 im August und setzt sich bis heute fort."
Immer wieder versuchen Migranten aus Krisengebieten über Belarus in das Land zu gelangen. Minsk wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, die illegale Grenzübertritte nicht nur zu dulden, sondern die Schutzsuchenden gezielt an die Grenze zu schleusen. Ein politisches Instrument, um auf die EU Druck auszuüben.
So gab Lettland zuletzt an, im vorletzten Jahr mehr als 13.000 Migranten daran gehindert haben, aus Belarus kommend die EU-Grenze zu überqueren - fast eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
"Er gibt uns Zeit zu reagieren"
Der neue Zaun zum baltischen NATO-Land soll die illegale Migration nun eindämmen. Der Zaun werde nicht alle Grenzübertritte Richtung Lettland verhindern können, da macht Šersts sich keine Illusionen - "aber er gibt uns Zeit zu reagieren", sagt er. "Wie man sieht, bauen wir eine komplett neue Infrastruktur längs der Grenze mit Sensoren und Kamerasystemen. Alles zusammen wird uns helfen, unsere Grenze zu schützen."
Entlang der Gewässer soll der Bau des Zauns bis Juli abgeschlossen sein. So laufen am Fluss Daugava momentan die Planungsarbeiten für den Bau von sechs Kommunikationstürmen, Zufahrtsstraßen sowie einen fast 17 Kilometer langen Patrouillenweg.
Um mehr Kapazitäten und Personal zur Überwachung der Grenze zu schaffen, hatte die Regierung in Riga bereits im vergangenen September einen der beiden Kontrollpunkte am Grenzübergang zu Belarus geschlossen. Auch Militär und Polizei unterstützen derzeit bei den Kontrollen.
Immer wieder, berichtet der lettische Grenzschutzchef, gingen Migranten den Zaun ab, um nach unbezäunten Abschnitten zu suchen.
Grenzschützer interpretieren Fußspuren im Schnee
Guntis Pujāts ist Chef des staatlichen Grenzschutzes. Er berichtet, dass in den vergangenen Wochen zwar weniger Migranten versucht hätten, den Zaun zu überqueren. Fußspuren im Schnee belegten jedoch, dass es noch immer versucht werde: "Wir haben wiederholt beobachtet, dass große Gruppen illegaler Migranten, Dutzende Menschen, am Zaun entlanggehen und nach einer Stelle suchen, an der der Zaun an einem Flussufer endet."
Solche Gruppen rechtzeitig aufzuspüren gehört auch zum Job von Vladimirs Šersts. Er geht davon aus, dass weiterhin Menschen versuchen werden, die Grenze zu überqueren: Schon jetzt seien fertige Abschnitte des neuen Zauns beschädigt oder aufgeschnitten.