Die Parteichefin der österreichischen Neos Beate Meinl-Reisinger

Liberale NEOS steigen aus Koalitionsverhandlungen in Österreich gescheitert

Stand: 03.01.2025 14:51 Uhr

In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den NEOS gescheitert. Die liberalen NEOS verkündeten den Ausstieg. Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechte FPÖ profitieren.

Der Versuch der Bildung einer Dreier-Koalition in Österreich ist gescheitert. Die liberalen NEOS verkündeten am Vormittag ihren Ausstieg aus den wochenlangen Koalitionsgesprächen mit der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ. 

Sie habe die Parteichefs von ÖVP und SPÖ und auch den Bundespräsidenten darüber informiert, "dass wir NEOS die Verhandlungen zu einer möglichen Dreierkoalition gemeinsam mit Schwarz-Rot in der Rolle eines künftigen Regierungspartners nicht fortsetzen werden", sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.

Es sei gerade in den vergangenen Tagen zu spüren gewesen, dass trotz vieler Anstöße durch die Liberalen nicht der dringend notwendige Reformwille aufkomme, sagte Meinl-Reisinger. Statt einer großen gemeinsamen Vision für das Land sei eher ein Denken nur bis zum nächsten Wahltermin aufgekommen.

FPÖ stärkste Kraft im Parlament

Zwar hätten ÖVP und SPÖ auch ohne die NEOS eine Mehrheit im Parlament - aber nur eine äußerst knappe von einer Stimme. Seit Mitte November hatten deshalb die drei Parteien über ein Regierungsbündnis verhandelt. Eine solche Dreier-Koalition wäre eine Premiere in Österreich gewesen. Die Gespräche waren auch ein Versuch, den klaren Wahlsieger, die rechte FPÖ, von der Macht fernzuhalten.

Bei der Nationalratswahl Ende September war die rechtspopulistische FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent. Da jedoch niemand mit der FPÖ unter ihrem umstrittenen Chef Herbert Kickl zusammenarbeiten wollte, wurde über eine "Zuckerl-Koalition" verhandelt. Diese Bonbon-Bezeichnung stammt von den Parteifarben türkis (ÖVP), rot (SPÖ) und pink (NEOS).

Knackpunkt der Verhandlungen war stets die Planung eines neuen Haushalts. Österreich steckt in einer Wirtschaftskrise und muss gleichzeitig streng sparen, um die EU-Kriterien für finanzielle Stabilität zu erfüllen. Die Balance zwischen einem Sparkurs und Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln, gilt als Hauptaufgabe einer neuen Regierung.

ÖVP sieht Schuld bei SPÖ

Aus Sicht der ÖVP hat die SPÖ die Hauptverantwortung für die Entwicklung. "Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt. Während sich Teile der Sozialdemokratie konstruktiv eingebracht haben, haben in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ überhandgenommen", schrieb ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.

Für Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer gilt das Scheitern als schwerer Schlag. Der Regierungschef hatte eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen und als Alternative auf das Dreier-Bündnis gesetzt.

Die FPÖ fühlt sich in ihren Vorhersagen bestätigt. Seit Monaten warne sie vor dieser "politischen Missgeburt der Verlierer-Ampel nach deutschem Vorbild", sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. "Karl Nehammer hat all diese Bedenken ignoriert, weil es ihm in Wahrheit nur um eines geht: seinen eigenen Job als Kanzler." Die FPÖ forderte den Rücktritt des Kanzlers.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. ÖVP und SPÖ könnten auf ihre Mehrheit von nur einer Stimme setzen - oder es kommt zu einer Neuwahl, was als die wahrscheinlichere Variante gilt. Dabei könnten die Rechtspopulisten auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ mit bis zu 40 Prozent rechnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. Januar 2025 um 11:00 Uhr.