Spanien Kataloniens heikle Wahl
Spanien blickt mit großer Spannung auf die Regionalwahl in Katalonien. Das Ergebnis könnte gravierende Folgen für die Regierung von Ministerpräsident Sánchez haben. Ein vor Jahren ins Exil Geflüchteter träumt schon von der Rückkehr.
Es ist eine Kuriosität im katalanischen Wahlkampf: Reisebusse mit dem Porträt von Carles Puigdemont steuern das französische Pyrenäen-Städtchen Argelès-sur-Mer an. Weil dem Separatistenführer in Spanien nach wie vor die Festnahme droht, lässt er seine Anhängerinnen und Anhänger zu sich ins Exil nach Frankreich bringen.
Mit dabei ist die 69-jährige Roser, die fest davon überzeugt ist: Puigdemont sei der Einzige, der Katalonien die Unabhängigkeit bringen könne. Später singen sie in einer angemieteten Veranstaltungshalle hinter der Grenze die Hymne Kataloniens und rufen: "Präsident, Präsident!"
Puigdemonts Traum von der Rückkehr
In seine Wahlkampfreden packt Puigdemont viel Pathos und Trotz. Sie hätten ihn damals als Regionalpräsidenten ins Gefängnis stecken wollen, sagt der 61-Jährige mit Blick auf die Regierung in Madrid. Nun sei er hier, unter seinen Anhängern, wenige Wochen vor seiner Rückkehr - "ohne dass ich mich bei einem spanischen Richter entschuldigen müsste".
Die damals konservative Zentralregierung war 2017 gegen ihn als einen wichtigen Kopf hinter dem gescheiterten Putschversuch im Oktober desselben Jahres eingeschritten. Puigdemont, damals katalanischer Regierungschef, hatte ein umstrittenes und illegales Referendum über die Zukunft der Region abhalten lassen und daraufhin Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen.
Die spanische Justiz schrieb Puigdemont zur Fahndung aus. Der Vorwurf lautete unter anderem Rebellion gegen den Staat. Puigdemont flüchtete ins belgische Exil, wo er als Abgeordneter des EU-Parlaments längere Zeit Immunität genoss.
Ein nationaler Haftbefehl gegen ihn ist noch immer in Kraft, solange das umstrittene Amnestiegesetz der linken Regierung von Pedro Sánchez nicht endgültig verabschiedet ist.
Weniger Unterstützung für Unabhängigkeit
Meinungsforscher sehen Puigdemonts Partei Junts per Catalunya als zweitstärkste Kraft. Das Thema Unabhängigkeit ist für viele Katalanen nach wie vor wichtig, wenn auch nicht vorrangig. Seit Jahren geht die Zahl der Befürworter eines eigenen katalanischen Staates zurück. Viele Katalanen scheinen der Debatten müde und wollen auf keinen Fall zurück in die Krisenjahre rund um 2017.
Wählerinnen und Wähler reden über andere Themen, die ihnen wichtiger sind. Sie sorgen sich um steigende Preise, die Wohnungsnot in den Städten sowie um die anhaltende Dürre und damit verbundene wirtschaftliche Fragen - etwa, wie viel Tourismus Katalonien sich künftig noch leisten kann und will. Auch die Migration ist eines der Themen im Wahlkampf.
Sozialisten führen - und könnten scheitern
Bei der Wahl am Sonntag sehen alle Meinungsforscher die Sozialisten als stärkste Kraft. Ihr Spitzenkandidat Salvador Illa präsentierte sich im Wahlkampf zuletzt unideologisch, pragmatisch. Immer wieder verspricht er in Interviews und bei Wahlkampfveranstaltungen, er trete an, um Katalonien in eine neue Zeit zu führen.
Ob er die Chance erhält, ist allerdings offen und hängt davon ab, ob überhaupt eine der separatistischen Parteien mit den Sozialisten koalieren möchte. Illa selbst befürchtet, es könne, wie bereits in der Vergangenheit, zur einer Blockade im neu gewählten Parlament von Barcelona kommen.
Dann nämlich, wenn die Parteien, die sich nach wie vor für eine Unabhängigkeit Kataloniens einsetzen, eine eigene Regierungsmehrheit zustande bekämen. Neben Puigdemonts Partei Junts kommt es also auch darauf an, wie die etwas gemäßigteren Unabhängigkeitsbefürworter von Esquerra Republicana abschneiden werden.
Das Sánchez-Problem
Solche Bündnisfragen nehmen in Wahlkampfdebatten und Interviews großen Raum ein. Auch für Spaniens Ministerpräsidenten Sánchez ist die Koalitionsfrage von höchstem Interesse. Denn bei den vergangenen Kongresswahlen im Sommer 2023 hatte sein Linksbündnis eine Mehrheit verpasst.
Sánchez' Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der separatistischen Parteien angewiesen, betont der Politikwissenschafter Pablo Simón von der Universität Carlos III in Madrid. "Je nach Wahlausgang könnten diese ihre Unterstützung für Sánchez auch zurückziehen. Ohne sie könnte die aktuelle spanische Regierung keine Gesetze mehr verabschieden."
Spaniens Minderheitsregierung ist erpressbar. Das könnten die Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen für sich ausnutzen. Puigdemont jedenfalls hat schon frühzeitig angekündigt, er sei angetreten, um wieder Regierungschef werden zu wollen. Im Falle einer Wahlniederlage, so sein Versprechen, werde er sich zurückziehen.