Machtwechsel in Kambodscha Wie der Vater, so der Sohn - oder nicht?
Dynastischer Wechsel in Kambodscha: Premier Hun Sen hat das Amt an seinen Sohn Hun Manet übergeben - und auch andere Minister wurden von ihren Kindern abgelöst. Dennoch sehen Experten darin eine Chance auf Wandel.
Es ist ein Machtwechsel vom Vater zum Sohn, der über Jahre sorgfältig geplant wurde. Bereits 1996 berichtete die "Phnom Penh Post", Kambodschas Machthaber Hun Sen - damals 44 - habe seinem ältesten Sohn, der damals 19 war, gesagt: "Du wirst einmal weitermachen, wenn ich nicht mehr bin." 2021 wurde Hun Manet als zukünftiger Premierminister-Kandidat vorgestellt. Anfang Juli dieses Jahres übergab der nun 71-jährige Vater seinem Sohn in einer symbolischen Geste im Wahlkampf die Flagge der Kambodschanischen Volkspartei. Kurz nach der Parlamentswahl verkündete er dann offiziell, dass der inzwischen 45-jährige Hun Manet in Kürze seinen Posten übernehmen werde.
Doch es ist für den Vater eher ein Schritt zur Seite als ein Rücktritt von der Macht. Er wolle noch mindestens zehn weitere Jahre in hohen politischen Ämtern tätig bleiben, verkündete er auf seinem Telegram-Kanal. Damit wolle er seinem Sohn im Hintergrund den Rücken freihalten und ihn vor politischen Angriffen schützen. "Hun Manets Legitimität kommt von seinem starken Vater", sagt David Hutt, Kolumnist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Central European Institute of Asian Studies. "Solange sein Vater präsent ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich irgendjemand gegen ihn wenden wird."
Hun Manet ausgebildet im Westen
Hun Manets Erziehung und sein Weg zur Macht verliefen ganz anders als bei seinem Vater. Er wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf, absolvierte als erster Kambodschaner die Militärakademie West Point in den USA. Später studierte er in New York Wirtschaftswissenschaften und machte in Großbritannien an der Universität Bristol seinen Doktortitel - während er im Militär immer weiter befördert wurde. Vor kurzem befestigte der Verteidigungsminister den vierten Stern an seiner Uniform. "Er wird vor allem für seine Disziplin gelobt und gilt eher als zurückhaltend in der Öffentlichkeit", sagt Jason Chumtong, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kambodscha.
Hun Manet war bisher nur im Militär und in der Partei tätig, nie in einem gewählten Amt. Ihm fehlt die politische Erfahrung. Als Leiter des Jugendflügels der Partei hielt er zumindest seit 2020 häufiger öffentliche Reden. Er ist mit der Tochter eines prominenten kambodschanischen Politikers verheiratet und hat drei Kinder.
Hun Sen regierte seit 1985
Vater Hun Sen stammt aus einfachen Verhältnissen. Mit 18 schloss er sich den Roten Khmer an, wurde Kommandeur und verlor wenige Wochen, bevor die Kommunisten 1975 Phnom Penh einnahmen, ein Auge. Während der Schreckensherrschaft von Pol Pot, in der Millionen Menschen starben, brach er mit dem Regime und floh 1977 nach Vietnam. Er half, als die vietnamesische Armee 1979 nach Kambodscha einmarschierte, um das Regime zu stürzen.
Daraufhin wurde Hun Sen mit 26 Jahren zum Außenminister ernannt, bevor er 1985 Premierminister wurde. Er sieht sich bis heute als Held, der seinem Land Stabilität und Sicherheit gebracht hat. Oppositionelle, Menschenrechtler und internationale Beobachter sehen eher einen Mann, der das Land mit eiserner Hand regiert hat und zuletzt immer autoritärer wurde.
Bei der Wahl im Juli gewann der 71-Jährige mit seiner Kambodschanischen Volkspartei 120 von 125 Sitzen. Echte Konkurrenz musste der Langzeitherrscher nicht fürchten, da die größte Oppositionspartei, die Candlelight Party, wegen eines angeblichen Formfehlers nicht zur Wahl zugelassen worden war. Kritiker wurden verhaftet oder flohen zuvor ins Ausland. Hun Sen wies internationale Kritik zurück, dass die Wahlen weder frei noch fair gewesen seien. Die Übergabe der Macht an seinen Sohn begründete er damit, dass dies Blutvergießen vermeide, sollte er im Amt sterben. Einen so friedlichen Machtwechsel hat es in Kambodscha bislang tatsächlich nicht gegeben. Und trotz aller Kritik sei die Machtübergabe verfassungskonform gelaufen, betont Jason Chumtong.
Macht und Geld bleiben bei Eliten
Hun Sen will sich im kommenden Jahr zum Senatspräsident wählen lassen, weiter Vorsitzender der Partei bleiben und den König als Staatsoberhaupt vertreten, wenn dieser im Ausland ist. Ein Teil der Bürgerinnen und Bürger ist darüber resigniert. Sie fürchten, dass sich unter Hun Manet nichts ändern wird, da sein Vater weiter die Strippen ziehe. "Ich denke, dass die neue Regierung weiter den alten politischen Plan umsetzen wird, der vom früheren Premierminister ausgearbeitet wurde", schreibt Rong Chuun, stellvertretender Vorsitzender der Candlelight Party, auf Anfrage. Die Opposition werde weiter unter Druck bleiben. Ganz nach dem Sprichwort: Wie der Vater, so der Sohn.
Tatsächlich ist Hun Manet bisher eher dadurch aufgefallen, dass er die Parolen seines Vaters wiederholt und gegenüber Kritikern ähnlich aggressiv aufgetreten ist. Dennoch haben einige Khmer Hoffnung. "Ich finde ihn besser als seinen Vater. Sein Vater hat Kambodscha zwar wirtschaftlich nach vorne gebracht, aber auch langsam in eine Diktatur verwandelt", sagt die 21-jährige Studentin Sieng Reaksa. Manet wird häufiger gesehen, wie er mit jungen Kambodschanern für Fotos posiert und deren typischen Handgesten nachmacht. "Ich denke, mit seiner Ausbildung in den USA und als Vertreter der jungen Generation kann er Kambodschas Zukunft gestalten", sagt eine andere junge Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Die Bevölkerung hat gesehen, dass ein Wandel über Wahlen aussichtslos ist, da die Opposition unterdrückt wird - und hofft nun auf einen Wandel von innen. Der Machtübergang von Hun Sen an Hun Manet ist nicht der einzige dynastische Wechsel, der sich gerade in Kambodscha vollzieht: Nicht nur Hun Sen übergibt sein Amt an seinen Sohn, sondern auch der Innenminister und der Verteidigungsminister werden von ihren Söhnen abgelöst. In der neuen Regierung werden auch der jüngste Sohn von Hun Sen und einer seiner Neffen wichtige Ämter innehaben: als Minister für den öffentlichen Dienst und stellvertretender Premierminister. Das geht aus einem Entwurf für das neue Kabinett hervor. Erst vor wenigen Wochen hatte der Zentralbankchef seinen Posten an seine Tochter übergeben. Die Macht im Land wird also innerhalb weniger einflussreicher Familien weitergegeben - ebenso der Reichtum.
Mögliche Annäherung an den Westen?
Die Europäische Handelskammer in Kambodscha ist "guter Hoffnung", dass der Machtwechsel eine Annäherung an den Westen ermöglicht. Aber erstmal müsse man abwarten. Kambodscha sei wichtig, da es strategisch zwischen Vietnam und Thailand liege - zwei Länder, mit denen Deutschland enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt. China ist Kambodschas wichtigster Verbündeter. Die momentane wirtschaftliche Schwäche der Volksrepublik könne Europa und den USA helfen, meint die Handelskammer, da Kambodscha dies durch Partner aus anderen Ländern zu kompensieren versuchen könnte.
Jason Chumtong von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kambodscha stimmt vorsichtig optimistisch, dass das neue Kabinett deutlich jünger ist und viele der neuen Minister wie Hun Manet im Westen ausgebildet wurden. Dies allein garantiert zwar keine Annäherung: Auch Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un, Syriens Machthaber Baschar al-Assad oder der Anführer der Roten Khmer, Pol Pot, sind im Westen zur Schule oder Universität gegangen. Dennoch: Die fünf strategischen Ziele der neuen kambodschanischen Regierung orientierten sich immerhin in ihrer Wortwahl an westlichen Werten.
Das neue Kabinett zeichne sich zudem durch mehr Wirtschaftskompetenz aus, sagt Kambodscha-Experte David Hutt. Am entscheidendsten sei, dass Manet einer jüngeren Generation angehöre und er nicht die schlechten Erfahrungen mit den USA gemacht habe wie sein Vater. Als die USA während des Vietnamkriegs Bomben über Kambodscha abwarfen, war Hun Manet noch nicht geboren. In den 1980er-Jahren war er noch ein Kind, als die USA und der Westen zeitweise die Roten Khmer unterstützten. "Ich glaube daher, dass er nicht diese instinktive Skepsis gegenüber dem Westen hat wie sein Vater", sagt Hutt. Grundsätzlich sei jedoch die Frage, inwiefern sich der Sohn von der Politik und dem Einfluss seines Vaters lösen könne, um überhaupt eine andere Politik zu verfolgen.