Vor dem G7-Gipfel Sorge um britische Infrastruktur
Russische Schiffe sollen laut Medienberichten in der Nordsee Gaspipelines, Offshore-Windparks und Internetkabel ausspionieren. Vor dem G7-Gipfel treibt die Briten die Frage um, wie gut sie geschützt sind.
Sichtbar sind sie nicht. Aber in der Nordsee, tief unter der Wasseroberfläche, verlaufen die Lebensadern Großbritanniens. Bob Seely ist Abgeordneter der konservativen Tories für die Isle of Wight, einer Insel im Ärmelkanal. Er weiß genau, was auf dem Meeresboden liegt:
Das ist unglaublich wichtig. Es gibt drei Pipelines, die mehr als 40 Prozent unserer Basisgasversorgung liefern. Wir haben fünf Verbindungsleitungen, die Strom nach und von Europa liefern.
Dazu kommen rund 70 Telekommunikationskabel tief im Meer und mehr als 40 Offshore-Windparks. Kein anderes europäisches Land hat so viele. Nun steigt in Großbritannien die Sorge, dass diese Offshore-Windparks, Kabel und Pipelines in Gefahr sein könnten.
Denn vor Kurzem veröffentlichten Journalisten in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finland eine gemeinsame Recherche, wonach russische Schiffe, getarnt als Fischerboote, die Nordsee ausspioniert haben sollen.
Seely glaubt, dass diese kritische Infrastruktur das Ziel sei. Man wisse, dass Russland wegen der NATO und der Verantwortung für die kollektive Verteidigung sehr zurückhaltend sei, wenn es um konventionelle bewaffnete Operationen gegen westliche Nationen gehe: "Aber wenn die Russen uns indirekt angreifen können, um zu versuchen, die Kosten für die Unterstützung der Ukraine zu erhöhen, könnte das durchaus passieren. Um das zu schaffen, müssen sie die Schwachpunkte des Westens kennen."
Hohe Kosten bei Kabelschaden
Auch Sidhart Kaushal, Experte für maritime Sicherheit am Londoner Think Tank Royal United Services Institute hält es für wahrscheinlich, dass Russland sich schon mal überlegt, wo es Leitungen kappen könnte. Dass ein solcher Angriff "direkt" bevorsteht, und systematisch viele Punkte treffen könnte, glaubt er aber nicht. Auch, weil überhaupt nur besondere Maschinerie und wenige Experten so etwas können:
Sollte es einen Konflikt geben, dann würde ich sagen, ist ein Angriff wahrscheinlich. Oder für den Fall, dass Russland glaubt, dass ein Konflikt bevorsteht, würde ich sagen, dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass sie maritime Sabotage betreiben würden.
Große Schäden müssten dann nicht zwingend entstehen, sagt Kaushal, weil es so viele Unterwasserverbindungen gibt, die nicht alle gleichzeitig angegriffen werden könnten. Teuer könnte es aber trotzdem für Großbritannien werden, rechnet er für die Telekommunikationskabel vor: "Ein signifikanter Netzausfall, auch wenn er nicht absolut oder vollständig ist, kann ein Industrieland pro Tag und zehn Millionen Einwohner umgerechnet etwa 23 Millionen Dollar kosten."
Internationale Beziehungen stärken
In der britischen Politik werden nun vereinzelt Rufe laut, die Marine aufzustocken. Frisch ist die Erinnerung an Explosionen an der Nordstream Pipeline in der Ostsee. Doch weil die große Weite der Meere nur schwer überwacht werden kann, könnte - selbst mit mehr Militär - wäre es schwer, mögliche Saboteure auf frischer Tat zu ertappen.
Eine Möglichkeit für die Marine sei, sagt Kaushal, mit dem Privatsektor zu kooperieren, der seine Pipelines und Kabel oft selbst an vielen Stellen überwacht. Ein Überwachungsschiff besitzt Großbritannien zwar bereits selbst. Doch das reicht kaum aus. Die beste Strategie aus seiner Sicht: Den Schiffen - sofern man sie denn findet - jetzt schon im Nacken sitzen und zeigen: "Wir haben euch um Blick."
Umso wichtiger sei es für Großbritannien, so Kaushal, seine internationalen Beziehungen mit EU, USA und Kanada zu stärken - vor allem auch durch die NATO. Sabotage vor der britischen Küste würde auch EU-Staaten treffen. Das längste Stromkabel der Welt im Meer verbindet Großbritannien mit Norwegen. Eine direkte Verbindung zu Deutschland wird gerade gebaut.