Türkische Oppositionspartei EU kritisiert Verbotsverfahren gegen HDP
Das Vorgehen der türkischen Staatsanwaltschaft gegen die pro-kurdische HDP stößt auf Kritik. Die EU zeigte sich "zutiefst besorgt". Das Auswärtige Amt äußerte Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.
Die Europäische Union hat das Verbotsverfahren gegen die pro-kurdische Oppositionspartei HDP in der Türkei scharf kritisiert. "Die zweitgrößte Oppositionspartei des Landes zu verbieten, würde die Rechte von Millionen Wählern in der Türkei verletzen", teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Kommissar Oliver Varhelyi mit. Das komme zu den Bedenken der EU wegen des Rückfalls bei Grundrechten hinzu und untergrabe die Glaubwürdigkeit des Engagements der türkischen Behörden für Reformen.
Man sei "zutiefst besorgt" über die Vorgänge, hieß es weiter. Als EU-Beitrittskandidat und Mitglied des Europarats müsse die Türkei dringend demokratische Kernverpflichtungen einhalten.
Auswärtiges Amt: Zweifel an Rechtsstaatlichkeit
Die Bundesregierung äußerte deutliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. "Der Fall der HDP wirft erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit auf", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch der Entzug des Mandats für den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioglu und das strafrechtliche Vorgehen gegen zahlreiche weitere Abgeordnete und Mitglieder der HDP "reihen sich in eine Entwicklung ein, die die rechtsstaatlichen Abläufe in der Türkei in Frage stellt".
Das Auswärtige Amt erinnerte die Regierung in Ankara daran, dass ein Parteiverbot "in einer Demokratie nur das allerletzte Mittel sein" könne. Eine Demokratie brauche Meinungsvielfalt, dazu gehöre auch eine lebendige Opposition. "Die Bundesregierung erwartet von der Türkei die Einhaltung höchster demokratischer und rechtsstaatlicher Standards, zu denen sich auch die Türkei als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidat verpflichtet hat."
Klage beim Verfassungsgericht
Die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara will die HDP wegen des Vorwurfs "terroristischer Aktivitäten" verbieten lassen. Sie hatte deshalb am Mittwoch eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht. Dem HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioglu wurde aufgrund eines rechtskräftigen Urteils das Mandat als Abgeordneter und damit die Immunität entzogen. Das türkische Außenministerium verbat sich Kritik anderer Staaten in der Sache.
Die zweitgrößte linksgerichtete Oppositionspartei des Landes ist seit Jahren im Visier der islamisch-nationalistischen Regierung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt die HDP regelmäßig, der politische Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, die im Südosten des Landes und im Nordirak gegen die türkische Armee kämpft. Die HDP weist die Vorwürfe immer wieder zurück. Das Auswärtige Amt appellierte nun aber auch an die Partei, sich klar von der PKK abzugrenzen.
Roth und Özdemir: "Nicht länger schönreden"
Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Claudia Roth und Cem Özdemir forderten angesichts des Verfahrens gegen die HDP mehr Unterstützung für die türkische Opposition. "Es wird Zeit, dass die immer autokratischer werdende Türkei in Berlin nicht länger schöngeredet wird", schrieben die beiden Politiker in einer Erklärung. Ankara brauche "eine klare Haltung, die auch Sanktionen nicht mehr ausschließt". Mit dem HDP-Verbotsantrag habe Erdogans Versuch, die Demokratie in der Türkei abzuschaffen, eine "neue Qualität erreicht".
Die HDP sei "unsere Partnerin für eine friedliche, demokratische Türkei", erklärten Roth und Özdemir. "Wir erwarten von allen, die die Hoffnung auf diese Türkei nicht aufgeben wollen, dass sie sich mit der HDP solidarisieren." Die Bundesregierung und die EU müssten gemeinsam mit der US-Regierung "endlich Klartext mit Erdogan" sprechen, forderten die Grünen-Politiker.
Die Partei selbst hatte das Verfahren als "politischen Putsch" angeprangert und politischen Widerstand angekündigt. Auch die USA kritisierten das Vorgehen der türkischen Behörden. Eine Auflösung der HDP würde den Willen der türkischen Wähler und die Demokratie untergraben, erklärte das Außenministerium in Washington.