Trauer um Zeitzeugen Holocaust-Überlebender Guy Stern gestorben
Seine Familie wurde von den Nazis ermordet, er selbst konnte in die USA fliehen: der Literaturwissenschaftler Guy Stern. Nun ist der Holocaust-Überlebende im Alter von 101 Jahren gestorben. Zeit seines Lebens setzte er sich für Demokratie und Verständigung ein.
Der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler und Holocaust-Überlebende Guy Stern ist tot. Das teilte der Berliner Aufbau Verlag mit - dort erschien die Autobiografie des gebürtigen Hildesheimers. Stern wurde 101 Jahre alt.
Stern gelang 1937 die Flucht in die USA - seine Eltern und seine jüngeren Geschwister wurden von den deutschen Nationalsozialisten ermordet. In den Vereinigten Staaten schloss sich Stern zunächst einer Spezialeinheit der US-Armee, den "Ritchie Boys", an. Dabei handelte es sich um eine überwiegend aus Emigranten gebildeten Einheit des Militärnachrichtendienstes, deren Aufgabe es war, Informationen von deutschen Kriegsgefangenen zu beschaffen.
Unermüdliches Engagement für Demokratie
Nach dem Krieg studierte Stern Romanistik und Germanistik und lehrte anschließend an zahlreichen amerikanischen und deutschen Universitäten. Seit seiner Emeritierung 2002 war er Direktor des Instituts für Altruismusforschung am Holocaust-Museum in Detroit.
Zeit seines Lebens setzte sich Stern für Demokratie und Verständigung ein und wurde dafür vielfach ausgezeichnet - unter anderem mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Noch in hohem Alter hielt Stern zahlreiche Vorträge, meist vor jungen Menschen. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa warnte Stern noch 2022 davor, die Errungenschaften der Demokratie leichtfertig aufs Spiel zu setzen: "Eine Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das jederzeit eingehen kann, wenn es nicht genügend gehegt wird", sagte Stern. "Wir können derzeit gut beobachten, was sich weltweit abspielt in Ländern, in denen - oft demokratisch gewählt - 'starke Männer' ihren Machtradius immer mehr erweitern und die Freiheiten ihres Volkes immer mehr einschränken."
"Äußerst liebenswürdiger Mensch"
Der Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim, Ingo Meyer, würdigte den Ehrenbürger Stern als "bemerkenswerte Persönlichkeit und einen äußerst liebenswürdigen Menschen". Er habe seine Gesprächspartner "mit umfangreichem Wissen und Zugewandtheit in den Bann gezogen und dabei mit seinem feinen, geistreichen Humor überrascht und berührt". Die niedersächsische Landtagspräsidentin Hanna Naber unterstrich Sterns "unermüdliches Engagement für Aufklärung, für Verständigung und gegen Antisemitismus". Mit Sterns Tod habe ein beeindruckendes und vielfältiges Leben sein Ende gefunden.