Großbritannien Immer mehr Britinnen spenden Eizellen
Immer mehr Frauen in Großbritannien spenden ihre Eizellen, um anderen zu einer Schwangerschaft zu verhelfen. Sie tun das aus altruistischen Gründen - denn Geld gibt es dafür kaum.
Um einen Brief an ihre Nachkommen zu schreiben, brauchte Alice Bisset mehrere Tage. Jetzt liegt er verschlossen in einer Eizellenbank in London. "Ich wollte es richtig machen", sagt sie, "auch wenn ich nicht weiß, ob ihn jemals jemand lesen wird". Bisset hat einige ihrer Eizellen gespendet. Anders als in Deutschland ist das in Großbritannien möglich - und wird immer beliebter. Daten der Human Fertilisation & Embryology Authorisation (HFEA) zeigen, dass sich die Geburten mit einer Spendereizelle zwischen 2012 und 2019 mehr als verdoppelt haben.
Eizellenbanken berichten, dass sich die Bereitschaft in der Corona-Pandemie weiter erhöht hat. Die London Women’s Clinic führt 500 Eizellspenden im Jahr durch. Klinikchef Nick Macklon rechnet damit, dass sich die Zahl in den nächsten ein bis zwei Jahren verdoppeln wird.
Der Wunsch zu helfen
Und auch die Motivation der Spenderinnen hat sich verändert. Früher gab es Eizellspenden hauptsächlich als "Nebenprodukt" künstlicher Befruchtung: Frauen konnten überzählige Eizellen spenden, im Gegenzug wurden ihre Behandlungskosten reduziert. Heute spendet der Großteil der Frauen in Großbritannien aus altruistischen Gründen, so wie Alice.
Nachdem sie beim Blutspenden aufgrund von Akne abgewiesen worden war, suchte sie nach Spendemöglichkeiten. Im Internet stieß sie auf die Eizellspende, recherchierte und meldete sich bei der Londoner Women’s Clinic.
Eine Eizelle unter dem Mikroskop. Spenderin-Eizellen werden bei einem Eingriff entnommen, für den sich immer mehr Britinnen freiwillig entscheiden.
Kaum Geld für die Spende
Mit dem Wunsch, anderen Paaren eine Geburt zu ermöglichen, kommen jedes Jahr etwa 15.000 Frauen allein in die Londoner Klinik. Einen Geldanreiz gibt es kaum: Eizellspenden werden in Großbritannien nicht vergütet, es gibt lediglich eine Aufwandsentschädigung von 750 britischen Pfund - umgerechnet rund 900 Euro.
Spenderinnen müssen zwischen 18 und 35 Jahre alt sein, ausführliche Gesundheitschecks durchlaufen und über die Risiken der Prozedur aufgeklärt werden. Denn um qualitativ hochwertige und möglichst viele Eizellen spenden zu können, müssen sie sich über einen Zeitraum von zehn bis elf Tagen Hormonspritzen geben. Anschließend werden die Eizellen in einem 15 bis 20 Minuten dauernden operativen Eingriff unter Vollnarkose entfernt.
"Die medizinischen Risiken sind sehr gering", sagt Klinikchef Macklon. Zu Beginn habe es Bedenken gegeben, dass die Eierstöcke der Frauen und ihre Fruchtbarkeit langfristig geschädigt werden könnten. "Aber wir haben festgestellt, dass das überhaupt kein signifikantes Problem ist."
Recht des Kindes auf Kontakt
Herausfordernder, sagt Macklon, sei für viele Frauen die Auseinandersetzung mit dem rechtlichen Rahmen. Denn Eizellspenden sind in Großbritannien nicht anonym. Entsteht aus der Spende ein Kind, so hat dieses mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs das Recht darauf, die Spenderin zu kontaktieren.
Elaine Chong schätzt diese Regelung. Sie spendete 11 Eizellen und fand später heraus, dass ein Junge geboren wurde. Jetzt hofft sie, dass er sich bei ihr meldet, sobald er 18 wird: "Ich bin so neugierig", sagt sie. "Ich würde gern wissen, wie meine DNA sich draußen in der Welt macht."
Wie eine Mutter fühlt Chong sich aber nicht: "Ich habe dieses Kind nicht aufgezogen, ich war nicht schwanger", sagt sie. "Er ist eher wie ein Neffe für mich, oder ein Cousin".
Keine elterliche Verantwortung
Die rechtliche Frage der Mutterschaft ist einer der Hauptpunkte für Kritiker der Eizellspende in Deutschland. In Großbritannien ist gesetzlich festgelegt: Die Frau, die ein Kind gebärt, ist die einzige Mutter. "Die Spenderin spendet ihre Eizellen, und das war's", sagt Macklon. "Sie hat keine elterliche Verantwortung und auch kein Recht auf Zugang zu ihren zukünftigen Kindern."
In Deutschland ist die Eizellspende nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Als Teil einer familienrechtlichen Reform hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angekündigt, das Gesetz zu reformieren. Eizellspenden könnten legalisiert werden.
Kritikerinnen wie das "Feministische Frauengesundheitszentrum" Berlin warnen vor einer Kommerzialisierung: Frauen dürften sich nicht aus einer wirtschaftlichen Notlage für die Eizellspende entscheiden.
"Man muss es wirklich wollen"
Wenn es nach Alice Bisset geht, ist diese Sorge unbegründet, solange es sich nur um eine Aufwandsentschädigung handelt: Diese sei gerechtfertigt, weil man sich während der Behandlungszeit teilweise von der Arbeit frei nehmen müsste, um zu Gesundheitschecks und dem abschließenden Eingriff zu fahren. Zu viel mehr reiche das Geld ohnehin nicht.
Elaine Cong sieht das ähnlich: "Man muss es wirklich wollen", sagt sie. Statt als Leistung, die kompensiert werden sollte, bezeichnet sie ihre Spende als "Geschenk": "Ich wollte einfach dazu beitragen, dass Familien sich vollständig fühlen."