Proteste in Georgien "Wir werden nicht aufhören"
Seit Tagen wird in Georgien für einen proeuropäischen Kurs des Landes demonstriert. Die Teilnehmer lassen sich auch von zunehmender Gewalt gegen sie nicht abschrecken. Auch Journalisten geraten ins Visier.
Sie protestieren gegen die Regierung und für eine Anbindung an die Europäische Union: In Georgien sind am Sonntagabend wieder Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Den elften Tag in Folge versammelten sich die regierungskritischen Demonstranten vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Viele von ihnen schwenkten EU-Fahnen.
Die Polizei geht mit zunehmender Gewalt gegen die Proteste vor und setzt Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Kundgebungen aufzulösen. Zahlreiche Demonstranten, die am Sonntag Feuerwerkskörper auf Polizisten warfen und Barrikaden errichteten, sollen verprügelt worden sein. Der georgischen Regierung wird vorgeworfen, gezielt Schlägertrupps einzusetzen, um die Menschen von der Teilnahme an den Protesten abzuhalten. Eine Darstellung, die von Vertretern der Moskau-freundlichen Regierungspartei Georgischer Traum zurückgewiesen wird.
Wie schon an den Abenden zuvor schlugen Demonstranten auf die Metallbarrieren ein, mit denen das Parlament abgeriegelt ist. Die Stadtverwaltung hatte im Laufe des Tages damit begonnen, einen großen Weihnachtsbaum vor dem Gebäude aufzustellen. An dem Gerüst für den Baum befestigten die Demonstrationsteilnehmer Fotos von Protestierenden, die zuletzt von der Polizei geschlagen worden waren. Die Gesichter auf den Fotos waren mit blauen Flecken übersät.
Mit Fotos wird auf die Gewalt gegen Demonstranten hingewiesen.
Demonstranten wollen nicht nachlassen
"Das ist jetzt nicht die Zeit zum Feiern", sagte der 27 Jahre alte Nino der Nachrichtenagentur AFP. "Sie können uns keine Angst machen, wir werden nicht aufhören", fügte er mit Blick auf das zunehmend harte Vorgehen der Sicherheitskräfte hinzu. Diese hatten in den vergangenen Tagen immer wieder Tränengas und Wasserwerfer gegen die Protestierenden eingesetzt.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit Beginn der Demonstrationen 402 Menschen festgenommen, die meisten wegen "Ungehorsam" oder "Vandalismus". Es seien aber auch mehr als 30 Menschen wegen mutmaßlicher Straftaten wie der Organisation von Gewalt festgesetzt worden.
Regierungschef Irakli Kobachidse, gegen den sich die Proteste hauptsächlich richten, hatte am Wochenende angekündigt, per Gesetz ein Verhüllungsverbot für Demonstranten erlassen zu wollen. Es solle Protestierenden untersagt werden, "ihr Gesicht wie auch immer zu verhüllen", sagte er. Die Demonstranten schützen derzeit ihr Gesicht oft mit Stoffen oder Masken gegen das Tränengas der Polizei.
Attacken auf Pressevertreter
Auch Journalisten geraten zunehmend ins Visier. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP sind im Zusammenhang mit den Protesten georgische Journalisten brutal angegriffen worden. So berichtete die Reporterin Maka Tschichladse, dass sie am Samstagabend zusammen mit einem Kollegen vom unabhängigen Fernsehsender Pirweli TV von einem gewalttätigen Mob attackiert worden sei. Der Kollege habe eine Kopfverletzung erlitten und ihm sei die Kamera gestohlen worden.
Am Sonntag marschierten mehrere Hundert Pressevertreter durch Tiflis und hängten Plakate von Kollegen auf, die ihren Aussagen nach bei der Ausübung ihrer Arbeit angegriffen worden waren. "Unsere Kollegen wurden geschlagen und verletzt, einige befinden sich in ernstem Zustand im Krankenhaus", sagte die Moderatorin von TV Pirweli, Ekaterine Mischweladse.
Streit über EU-Kurs des Landes
Die pro-europäischen Proteste richten sich insbesondere gegen den von Regierungschef Kobachidse angekündigten Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028. Zudem steht die umstrittene Parlamentswahl von Ende Oktober im Mittelpunkt der Proteste, bei der es nach Angaben der Opposition Wahlbetrug gab.
Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Seitdem hat die Regierung aber mehrere Gesetze verabschiedet, die in Brüssel große Sorge hervorrufen - darunter ein Gesetz nach russischem Vorbild gegen "ausländische Einflussnahme". Die EU fror deshalb Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien ein.