Abaya-Verbot in Frankreich "In der Schule keinen Platz"
Heute beginnt in Frankreich das neue Schuljahr. Wer eine Abaya trägt, darf nun nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Doch der Streit um die religiöse Bedeutung des langen Gewandes geht weiter.
"Es geht um die Abaya, aber auch um Französisch, um Mathematik, um den Sportunterricht: All diese Themen beschäftigen uns heute zum Schulstart", betonte Frankreichs Regierungschefin Elisabeth Borne am Vormittag beim Besuch einer Schule in der Bretagne. Ziel war wohl, die Debatte um das Abaya-Verbot ein bisschen zu beruhigen.
Bei Bildungsminister Gabriel Attal, der zusammen mit Borne unterwegs war, klang das anders: "Wenn es um die Laizität in der Schule geht, dürfen wir nicht zögerlich sein", so Attal.
Während Frankreichs Regierungschefin Elisabeth Borne versuchte, die Debatte um das Abaya-Verbot ein bisschen zu beruhigen, erklärte Bildungsminister Gabriel Attal noch einmal, weshalb dieses wichtig sei.
"Abayas gehören in manchen Schulen inzwischen zum Bild"
Vor gut einer Woche hatte Attal angekündigt, dass Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen ab heute keine Abayas oder Qamis mehr tragen dürfen. In einer Pressekonferenz zur "rentrée", dem Schulstart nach den großen Ferien, hatte der Bildungsminister den Schritt noch einmal erklärt.
"In den letzten Monaten gab es deutlich mehr Verstöße gegen das Prinzip der Laizität in unseren Schulen - vor allem durch das Tragen von religiöser Kleidung wie zum Beispiel Abayas", sagte Attal.
Diese gehörten in manchen Schulen inzwischen zum Bild. "Wir müssen und werden uns dem entgegenstellen", ergänzte Borne. Die Abaya habe in der Schule keinen Platz, ebenso wenig wie andere religiöse Symbole.
Zentrales Prinzip des französischen Staates
Laizität ist ein zentrales Prinzip des französischen Staates. Stark vereinfacht gesagt bedeutet Laizität, dass sich der Staat gegenüber den Religionen neutral verhält und somit Religionsfreiheit garantiert. Im Gegenzug dürfen religiöse Symbole den öffentlichen Raum nicht dominieren.
Seit 2004 gibt es in Frankreich ein Gesetz, das den Schülern verbietet, Kleidung oder Zeichen zu tragen, die ihre Religionszugehörigkeit offenkundig zeigen. Dazu zählen Kippas, auffällig große Kreuze oder das Kopftuch.
In Frankreich ist es verboten, in Schulen Kleidung oder Zeichen zu tragen, die offenkundig eine Religionszugehörigkeit zeigen. Dazu zählen Kippas, auffällig große Kreuze oder das Kopftuch.
Hat die Abaya religiöse Bedeutung?
Für Abdallah Zekri fallen Abayas aber nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes von 2004. Zekri ist Vizepräsident des Islamverbands CFCM. "Für mich ist die Abaya kein Kleidungsstück mit religiöser Bedeutung", sagte Zekri im Fernsehsender BFM.
Darüber könne man "philosophieren", räumte die französische Staatssekretärin für Stadtpolitik, Sabrina Agresti-Roubache, im Radiosender "FranceInfo" ein. In der Praxis werde die Abaya für viele Schülerinnen aber oft zum Ersatz für das Kopftuch.
"Wenn ein junges Mädchen mit dem Kopftuch und einer Abaya vor der Schule ankommt und dann das Kopftuch abnehmen muss, dann zeigt sie mit der Abaya, dass sie zu einer bestimmten religiösen Gruppe gehört", sagte Agresti-Roubache. "Und mit der Abaya möchte sie das zeigen. Dieses Phänomen müssen wir verbieten."
Immer mehr Abayas in Schulen
In den vergangenen zwei Schuljahren sind deutlich mehr "Verstöße gegen die Laizität" an Schulen festgestellt worden, viele davon in Zusammenhang mit Kleidung. Das meldet die Nachrichtenagentur AFP und bezieht sich auf Zahlen der französischen Regierung. Die Debatte speziell um Abayas war Ende vergangenen Jahres aufgekommen. Viele Lehrkräfte hatten bemerkt, dass immer mehr Schülerinnen die langen Gewänder tragen, und wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten.
"Ich habe gemerkt, in was für eine schwierige Lage Sie die Tatsache gebracht hat, dass es keine klare Regelung zu den Abayas gab", hatte Bildungsminister Attal am Freitag in einer Email an die französischen Schulleiterinnen und Schulleiter geschrieben, aus der die AFP und mehrere Medien zitieren. Dazu gab es ein Memo mit Richtlinien für die Anwendung der neuen Regel. Wer heute mit einer Abaya oder einem Qamis in die Schule kommt, kann nicht am Unterricht teilnehmen, sondern wird zunächst zum Gespräch geladen.
"Schafft Klarheit"
Schülerinnen und Schüler, die sich trotzdem weigern, die neue Regel zu befolgen, müssen mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, die bis zum Schulverweis gehen können. Vor einer eventuellen Strafe müsse allerdings ein intensiver Dialog - auch mit den Eltern - stehen, hatte Minister Attal betont. In einem Schreiben an Eltern und Schüler betonte Attal, dass die Laizität sich nicht gegen eine spezielle Religion richte - die Regeln seien die gleichen für alle.
Carole Zerbib findet, dass die Ankündigung des Ministers Klarheit schaffe - und das sei gut. Sie ist Schulleiterin und sagte dem Fernsehsender "France 2": "Dank dieser Regel sind wir nicht mehr so alleingelassen. Bisher mussten wir als Schulleiterinnen und Schulleiter entscheiden, ob die Kleidung der Schüler einen religiösen Charakter hat oder nicht." Das sei je nach Schule anders bewertet worden, sodass die Schülerinnen und Schüler unterschiedlich behandelt wurden.
Klage von muslimischer Organisation
Manche Wissenschaftler, die sich mit dem Thema Laizität beschäftigen, sehen das anders. Denn wenn der Staat gegenüber den Religionen neutral sein müsse, dann sei es nicht Aufgabe des Staates zu definieren, welche Kleidungsstücke eine religiöse Bedeutung haben, argumentieren sie.
Am Freitag hat die Organisation "Aktion für die Rechte der Muslime" den Staatsrat, das höchste französische Verwaltungsgericht, angerufen. Aus Sicht der Organisation ist das Abaya- und Qamis-Verbot eine Stigmatisierung muslimischer Schülerinnen. Sie will erreichen, dass diese Maßnahme ausgesetzt wird.
Vorerst gilt das Verbot jedoch. Die Debatte um die Abaya ist ein neues Kapitel in der langen Diskussion über das Verhältnis von Islam und Laizität. Es wird bestimmt nicht das letzte sein.