Fährunglück "Estonia" von 1994 Ermittler finden keine Hinweise auf Explosion
Warum sank die Ostseefähre "Estonia"? Auch rund 30 Jahre nach dem schweren Schiffsunglück mit Hunderten Toten ist das unklar. Anzeichen für eine Kollision oder Explosion gibt es laut einem neuen Untersuchungsbericht nicht.
Bis heute wird spekuliert, warum die Fähre "Estonia" 1994 sank. Eine Explosion an Bord oder eine Kollision waren vermutlich nicht die Ursachen - das legt ein neuer Untersuchungsbericht mit vorläufigen Schlüssen nahe, den Estland, Finnland und Schweden in Auftrag gegeben hatten. Ihr gemeinsamer Zwischenbericht enthielt keine neuen Beweise, die den Ergebnissen der offiziellen Unfalluntersuchung von 1997 widersprechen.
Die "Estonia" sank am 28. September 1994 auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm bei schwerem Sturm in der Ostsee. 852 Menschen kamen ums Leben. Es war das schwerste Schiffsunglück in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Keine Hinweise auf Explosion oder Kollision
"Es gibt weder Hinweise auf eine Kollision mit einem Schiff oder einem schwimmenden Objekt noch auf eine Explosion im Bugbereich", heißt es in dem vorläufigen Bericht der Untersuchungsbehörden.
Wie 1997 nannten die Ermittler auch diesmal Mängel am Bugvisier. Die Fähre sei nicht seetüchtig gewesen. Einen Grund, die Schlusssätze von damals infrage zu stellen, sehen sie deshalb nicht.
Viele Tote konnten nicht geborgen werden
Was sehr wichtig sei, sei die menschliche Seite der Katastrophe, sagte der Leiter der estnischen Havariekommission, Rene Arikas. "Selbst mehr als 28 Jahre später können wir sehen und auch fühlen, dass das vielen Menschen wehgetan hat. Wir erleben immer noch Trauer."
Weil viele der Toten nicht geborgen werden konnten, steht das "Estonia"-Wrack als Ruhestätte unter Schutz und darf nicht aufgesucht werden.
Die jüngste Untersuchung wurde eingeleitet, nachdem in einer Fernsehdokumentation von 2020 Videoaufnahmen eines Tauchroboters von der Wrackstelle veröffentlicht worden waren. Sie zeigten ein vier Meter großes Loch im Rumpf auf der Steuerbordseite.
Computersimulationen ausgewertet
Das Loch und weitere Schäden seien besser sichtbar, weil sich das Wrack aufgrund von Veränderungen am Meeresboden um 13 Grad gedreht habe, sagte Jonas Bäckstrand, stellvertretender Leiter der schwedischen Unfalluntersuchungsbehörde.
"Es sieht so aus, als sei es (das Schiff) durch den Aufprall auf den Meeresboden beschädigt worden", sagte Bäckstrand bei der Vorstellung des Zwischenberichts in Tallinn. Die Kommission hatte Unterwasseraufnahmen und Computersimulationen des Wracks ausgewertet, das in einer Tiefe von 80 Metern in internationalen Gewässern vor einer finnischen Insel auf dem Meeresgrund liegt.
Der Untergang des Schiffes rief zahlreiche Verschwörungstheorien hervor, darunter die, dass es mit einem U-Boot kollidiert sein könnte oder dass es militärische Fracht transportierte. Tatsächlich erklärten die schwedischen Streitkräfte, mit der Fähre sei elektronische Ausrüstung transportiert worden, allerdings nicht in der Nacht des Unglücks.