Großbritannien Schadensersatz nach Infektion durch Spenderblut
Der sogenannte Blutskandal in Großbritannien führte zu Tausenden Infektionen mit HIV oder Hepatitis C. Jahrzehnte später zahlt nun die Regierung Schadensersatz - aber nur an überlebende Opfer oder deren Partner. Das sorgt für Kritik.
Jahrzehnte nach der tausendfachen Weitergabe verunreinigter Bluttransfusionen gewährt Großbritannien den Opfern Schadensersatz. Eine vorläufige Zahlung soll pro Person 100.000 Pfund - umgerechnet rund 119.000 Euro - betragen und bis Ende Oktober überwiesen werden, teilte die britische Regierung mit.
Das Geld geht an Personen, die sich in den 1970er- oder 1980er-Jahren über verabreichtes Spenderblut mit HIV oder Hepatitis C infiziert hatten - oder an Partner von Opfern, die nicht mehr leben. Etwa 2400 Patienten starben an den Folgen der kontaminierten Transfusionen. Familienangehörige wie Eltern und Kinder werden bei den Entschädigungszahlungen nicht bedacht. Betroffene bemängeln das.
"Moralische Verpflichtung"
Mehrere tausend Krankenhauspatienten, die an der sogenannten "Bluterkrankheit" Hämophilie litten, hatten in Großbritannien über den staatlichen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) kontaminierte Bluttransfusionen erhalten. Über diese kamen die Infektionen zustande. Der NHS hatte wegen eines Mangels in Großbritannien einen Großteil seiner Blutreserven aus den Vereinigten Staaten erhalten. In der Geschichte des britischen Gesundheitssystems gilt das Geschehen als einer der schwerwiegendsten Behandlungsfehler.
"Die moralische Verpflichtung zur Entschädigung steht außer Zweifel", sagte der Vorsitzende der zuständigen Untersuchungskommission, Brian Langstaff. Er hatte im vergangenen Monat gefordert, sofort Entschädigungen zu zahlen.
Premierminister Boris Johnson räumte in einer Erklärung ein, dass "nichts den Schmerz und das Leid der Betroffenen wiedergutmachen kann". Die Regierung sorge jedoch dafür, dass die Opfer und ihre Angehörigen die Zahlungen schnell erhielten.
Weitere Zahlungen stehen zu erwarten
Betroffene kritisierten, dass nicht alle Familienmitglieder bei der Entschädigung berücksichtigt werden. "Die Eltern fühlen sich so entmutigt", sagte Rosemary Calder, die die Nachrichtenagentur AP zitiert. Ihr Sohn starb den Angaben zufolge nach dem Erhalt eines mit dem HI-Virus verunreinigten Blutproduktes. Zitiert wird auch der mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Mark F.: Er finde es gut, dass ein Fehlverhalten der Behörden eingeräumt werde.
Es geht nicht um Entschädigung, es geht darum, dass sich jemand entschuldigt.
2017 beschloss die damalige Regierung in Großbritannien, eine Untersuchung zur Aufklärung des Skandals einzuleiten. Sie soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Es wird erwartet, dass die endgültige Empfehlung Entschädigungen für eine größere Gruppe von Menschen vorsehen wird.
Eine frühere Untersuchung war 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass die britische Regierung früher hätte handeln müssen, um die Blutreserven zu erhöhen und die Abhängigkeit vom Importen zu verringern. Haftungsfragen blieben allerdings offen. 2017 ermöglichte ein Urteil eines britischen Gerichts den Opfern des Skandals, Schadensersatz zu fordern.