Biden-Rede in Warschau "Es gibt kein höheres Ziel als Freiheit"
Die Erwartungen waren hoch: US-Präsident Biden hat am Warschauer Königsschloss eine Rede zum Jahrestag des Ukraine-Kriegs gehalten. Die NATO und die USA bleiben an der Seite Kiews - und verteidigen damit die Freiheit.
Es wirkt wie ein Duell aus der Ferne: US-Präsident Joe Biden hat am Warschauer Königsschloss kurz vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine eine Rede gehalten - nur wenige Stunden nach der Ansprache von Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau.
Während der russische Präsident den Angriffskrieg mit einer angeblich nötigen Entnazifizierung der Ukraine rechtfertigte, sprach Biden vom Verteidigen der Freiheit. Russland werde die Ukraine niemals besiegen, sagte er. Die Ukraine sei "stark", "stolz" und "frei" und könne auch im zweiten Kriegsjahr auf die Unterstützung des Westens zählen.
"Die Welt hat nicht weggeschaut"
Putin habe mit seinem Angriffskrieg die ganze Welt auf die Probe gestellt. "Wir standen vor einer einfachen, aber tiefgründigen Frage", sagte Biden. "Reagieren wir oder schauen wir weg? Sind wir stark oder sind wir schwach? Vereint oder gespalten?" Die Welt habe sich für die Demokratie ausgesprochen. Die Welt habe nicht weggeschaut.
Das zeige auch die letzte UN-Abstimmung, in der sich 143 Länder gegen die Aggressionen Russlands ausgesprochen hatten. "Nur vier Länder weltweit standen an der Seite Russlands."
Neue umfassende Sanktionen
"Putin dachte, er könnte die Ukraine überrollen - er irrte sich", erklärte der US-Präsident. Der russische Präsident habe angenommen, dass die NATO zersplittert sei, doch sie stünde geschlossener denn je. Gemeinsam habe das Militärbündnis dafür gesorgt, dass Europa nicht länger vom russischen Gas abhängig ist und dass nicht Gewalt die Welt beherrsche.
Der Wille nach Freiheit könne nicht unterdrückt werden. "Freie Menschen weigern sich in einer Welt der Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit zu leben." Selenskyjs Regierung stehe für den Wunsch des ukrainischen Volkes nach Freiheit. Noch in dieser Woche werde der Westen neue umfassende Sanktionen gegen Russland verhängen.
NATO steht geschlossen zusammen
"Putin hat keinen Zweifel mehr an der Stärke der Koalition", sagte Biden vor dem symbolträchtigen Königsschloss. Demokratie gegen Autokratie, Widerstand und Wiederaufbau - das ist die Botschaft des US-Präsidenten an diesem Abend.
Schon Ende März 2022 hielt Biden eine Rede im Innenhof des Schlosses. Damals, einen Monat nach Kriegsbeginn, sagte Biden der Ukraine Unterstützung zu und griff Putin scharf an. Besonders ein Satz über Putin hallte lange nach: "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben", sagte Biden damals ganz zum Schluss seiner Rede plötzlich. Das Weiße Haus stellte später klar, der Präsident habe damit nicht zum Sturz Putins aufrufen wollen. Heute betonte Biden erneut: "Unsere Unterstützung bleibt unerschütterlich."
"Sie haben ihre Häuser und Herzen geöffnet"
Noch nie war ein US-Präsident zweimal innerhalb eines Jahres zu Besuch in Polen. Biden würdigte in seiner Rede den Einsatz Polens, das eine mehr als 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine hat. "Sie haben sich dazu entscheiden, Ihre Häuser und Herzen zu öffnen", rief er den Menschen vor dem Schloss zu, die Ukraine-Fahnen schwenkten.
Polen hat nicht nur gut 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufgenommen, sondern auch immer wieder EU- und NATO-Partner zur militärischen Unterstützung der Ukraine gedrängt. Biden dankte auch den europäischen Partnern und der EU, sie habe "wirklich Ungeheuerliches geleistet".
Botschaft an das russische Volk
Auf Putins Rede reagierte Biden nicht direkt. Stattdessen wandte er sich an das russische Volk. "Wir planen nicht, Sie anzugreifen. Sie sind nicht unsere Gegner", betonte der US-Präsident. "Der Krieg war nie eine Notwendigkeit, sondern eine Tragödie." Der Krieg sei eine Entscheidung Putins gewesen. Jederzeit könne er seine Invasion und damit den Krieg beenden. "Der Westen plant nicht, heimlich Russland anzugreifen, wie Putin heute gesagt hat."
Gleichzeitig warnte Biden, der Krieg werde dauern. Die Entscheidungen, die in den kommenden fünf Jahren getroffen würden, hätten Auswirkungen auf die kommenden Jahrzehnte. Es werde jetzt alles getan, "damit auch unsere Kinder und unsere Kindeskinder in Freiheit leben können." Die westlichen Partner seien "Verbündete des Lichts" und damit "Verbündete der Hoffnung".