Karibik-Staat Barbados setzt die Queen ab
In Zukunft ist Barbados eine Republik mit eigener Staatschefin: Der Karibikstaat lässt seine Vergangenheit als britische Kolonie hinter sich und schafft die Monarchie ab - mit einer Zeremonie, an der Prinz Charles teilnimmt.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Welt von der Premierministerin von Barbados Notiz nimmt. Aber vor wenigen Wochen, beim Weltklimagipfel in Glasgow, redete Mia Mottley den anwesenden Regierungschefs derart ins Gewissen, dass ihr Auftritt vielen in Erinnerung blieb. Sie beklagte die Kürzung der finanziellen Umwelthilfen für kleine Inselstaaten, wie Barbados einer ist. In ihrem Land koste das Menschenleben, etwa wenn Wirbelstürme die schutzlosen Inseln heimsuchen: "Das ist unmoralisch und ungerecht", sagte Mottley.
Die resolute Premierministerin hat nun auch ein Versprechen eingelöst, das bereits die Vorgängerregierung vor Jahren gegeben hatte: Sie wandelt den Inselstaat in eine Republik um. Das bedeutet, dass Königin Elizabeth II. nicht länger das Staatsoberhaupt der früheren britischen Kolonie sein wird. Guy Hewitt, ehemaliger High Commissioner von Barbados in London, schilderte bei Times Radio die Hintergründe: "Manche sehen es sicher als eine Art Erwachsenwerden an. Andere meinen, es sei längst überfällig, denn die Mehrheit der Länder im Commonwealth sind inzwischen Republiken."
Ende der Kolonialvergangenheit
Mitglied im losen Staatenbund der 54 Commonwealth-Länder wird Barbados auch künftig bleiben. Doch Staatsoberhaupt wird Königin Elizabeth dann nur noch in 15 Ländern davon sein, darunter Australien, Neuseeland und Kanada.
Die amtierende Generalgouverneurin Sandra Mason, die die Queen auf Barbados offiziell vertritt, hatte vor einem Jahr den formalen Bruch mit der britischen Krone angekündigt. Mason selbst wird nun Staatschefin der knapp 300.000 Einwohner. Es sei an der Zeit, die koloniale Vergangenheit vollständig abzustreifen, sagt sie selbst.
Der englische Kapitän John Powell beanspruchte die unbewohnte Insel 1625 für die englische Krone, nachdem portugiesische Eroberer 100 Jahre zuvor die Ureinwohner vertrieben hatten. Der Name Los Barbados leitet sich von den Luftwurzeln der Feigenbäume auf der Insel ab, die an Bärte erinnerten. In der Folgezeit florierte die Insel durch Zuckerrohrhandel, der allerdings vor allem auf Sklaverei beruhte.
Nach dem Londoner Unterhaus in Westminster und dem House of Assembly in Bermuda ist das Parlament in Barbados das drittälteste der heutigen Commonwealth-Länder. Bereits 1639 wurde das House of Burgesses erstmals einberufen. Und 1652 wurden nach Auseinandersetzungen mit der britischen Krone in der "Charta of Barbados" Verfassungsgrundsätze wie Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Eigentumsrechte festgeschrieben - allerdings zunächst nur für die Grundbesitzer. Nach der Freiwerdung der Sklaven 1834 bis zur Unabhängigkeit des Landes 1966 wurden diese Rechte Stück für Stück auf alle Barbadier ausgedehnt.
Prinz Charles mit Barbados künftiger Präsidentin Sandra Mason bei seinem feierlichen Empfang am Grantley Adams-Flughafen (Foto vom 29.11.2021).
Windrush-Skandal befeuerte die Abkehr
In jüngerer Zeit hatte es zwischen Großbritannien und ehemaligen Kolonien wegen des sogenannten Windrush-Skandals Spannungen gegeben. Hier ging es um Entschädigungszahlungen, die die britische Regierung eigentlich an Einwanderer, vor allem aus der Karibik, zahlen sollte, weil sie nach 2012 fälschlicherweise vom britischen Staat als Illegale behandelt wurden. Das entzog vielen Familien plötzlich die Lebensgrundlage. Auch viele Barbadier warten immer noch auf ihr Geld.
Dieser Skandal dürfte die Abkehr von Großbritannien beschleunigt haben, meint Guy Hewitt: "England, das die Regeln für Fair Play erfunden hat, hat sie im Windrush-Skandal alle gebrochen." Die Wut der Menschen darüber sei groß - "und das stellt doch sehr die Frage, ob wir noch eine große Familie im Commonwealth sind. Es ist einfach nicht mehr das Gefühl da, dass wir alle unter der Krone vereint sind".
Das bedeute allerdings nicht, dass man der Königin selbst in Barbados und im Commonwealth nicht allerhöchsten Respekt zolle, meint Hewitt: Viele hätten das nostalgische Gefühl, jemanden zu verlieren, dem sie sich lange verbunden gefühlt hätten.
Charles' Besuch erfreut nicht alle
Darum scheidet man auch nicht im Streit: Thronfolger Prinz Charles wurde als künftiges Commonwealth-Oberhaupt zu der Zeremonie auf Barbados eingeladen und nimmt auch teil. Der Buckingham-Palast erklärte, die Republik-Werdung sei "eine Angelegenheit der Regierung und der Bevölkerung von Barbados".
Charles wird bei der Zeremonie am Dienstag kurz nach Mitternacht auf seine eigene enge Verbindung mit der Insel eingehen, die er vor mehr als 50 Jahren das erste Mal besuchte - und darauf, dass aus seiner Sicht die engen Bande und die gemeinsamen Werte, die die Commonwealth-Länder verbinden, weiter fortbestehen.
Doch nicht alle auf der Karibik-Insel sind glücklich mit dem royalen Besuch. Aktivisten des Carribean Movement for Peace and Integration forderten in lokalen Medien, die Königsfamilie solle wegbleiben, sich für die Sklaverei entschuldigen und Entschädigungen dafür zahlen. Andere hatten kritisiert, dass der Verfassungswechsel durch ein Referendum hätte bestätigt werden sollen. So sei es nur eine politische Entscheidung über die Köpfe der Einwohner hinweg, die den Übergang in eine Republik mit wenig Elan oder sogar Misstrauen verfolgen würden.
Trautes Einvernehmen beim Fototermin auf einem Besuch Prinz Charles' bei Barbados damaliger Generalgouverneurin Sandra Mason 2019. Doch nicht alle Barbadier freuen sich auf den erneuten Besuch.
Folgen weitere Staaten dem Beispiel?
Für das Königshaus in London stellt sich die Frage, ob mit der Abkehr von Barbados nun ein erster Zacken aus der britischen Krone bricht, dem andere Staaten folgen könnten, weil sie eine Monarchie nicht mehr zeitgemäß finden. Der ehemalige Pressesprecher der Queen, Dickie Arbiter, denkt bereits laut über entsprechende Bestrebungen in Kanada, Neuseeland und Australien nach.
Der Historiker Robert Lacey, der eine Reihe von Büchern über die britische Königsfamilie geschrieben hat, sieht die Queen als die zentrale Figur für den Zusammenhalt des Commonwealth. "Die Queen hat es geschafft, das Commonwealth, das alte Britische Empire, zu etwas Neuem, Ungewöhnlichen und Wunderbaren zu machen. Die Historiker werden das einmal als die große Errungenschaft ihrer Regentschaft bezeichnen", meint er. "Wenn die Queen alle vier Jahre zu den Gipfeltreffen des Commonwealth gereist ist, haben einige Staats- und Regierungschefs sie dort als eine Art Weiße Göttin angesehen. Das ist vielleicht politisch nicht korrekt, aber sie mochte das."