Russischer Verteidigungsminister Schoigu kündigt Umbau der Armee an
Um Russlands Sicherheit zu gewährleisten, hat Verteidigungsminister Schoigu Änderungen im Militär angekündigt. Nach Ansicht des Institute for the Study of War bereitet Moskau damit auch eine entscheidende strategische Aktion in der Ukraine vor.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat einen Umbau der russischen Armee angekündigt. Die Reformen in der Verwaltung seien nötig, um die vom Kreml geforderte Aufstockung der Truppenstärke umzusetzen. Nur durch strukturelle Veränderungen der Streitkräfte sei es möglich, Russlands Sicherheit zu gewährleisten, sagte Schoigu bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hatte Kremlchef Wladimir Putin kurz vor Silvester angekündigt, die Zahl der Soldaten von 1,15 auf 1,5 Millionen zu erhöhen.
Militäreinheiten in annektierten Gebieten
In den von Russland annektierten ukrainischen Gebieten sollen dazu selbstständige Militäreinheiten aufgebaut werden.
"Es sollen zwei waffengattungsübergreifende strategische territoriale Vereinigungen der Streitkräfte gegründet werden: der Moskauer und der Leningrader Militärkreis, sowie eigenständige Truppengruppierungen auf den neuen Territorien der Russischen Föderation."
Damit meinte Schoigu die von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebiete in der Ukraine. Insbesondere im Gebiet Donezk gibt es seit Wochen erbitterte Kämpfe. Erst in der vergangenen Woche konnte Russland zum ersten Mal seit Sommer 2022 einen militärischen Erfolg feiern, in dem es die Einnahme der Kleinstadt Soledar im Gebiet Donezk verkündete.
Armeekorps in Karelien
Daneben kündigte Schoigu die Aufstellung eines Armeekorps in der nordrussischen Teilrepublik Karelien an. Dies könnte eine Reaktion auf den geplanten NATO-Beitritt der skandinavischen Länder Schweden und Finnland sein. Gestärkt werden solle auch die Kampfkraft der Flotte, der Luftwaffe und der Raketenstreitkräfte, forderte Schoigu.
Die Erneuerung der Strukturen soll demnach im Zeitraum zwischen 2023 und 2026 abgeschlossen werden. Wegen einer Vielzahl von Niederlagen im Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Militärführung in Moskau mit zahlreichen Problemen und Unzulänglichkeiten konfrontiert, die nun behoben werden sollen.
Erhöhung des Einberufsalters nicht ausgeschlossen
Auch bei der Frage des Einberufungsalters könnte es Veränderungen geben, wodurch zukünftig auch ältere Reservisten eingezogen werden könnten. Kremlsprecher Peskow schloss das jedenfalls nicht aus.
"Sie kennen die Vorschläge, die das Verteidigungsministerium vorgestellt hat. Sie werden in Bezug auf die Erhöhung des Einberufungsalters noch konkretisiert. Sie wissen auch, dass Präsident Putin im Großen und Ganzen grundsätzlich damit einverstanden ist. Deshalb wird das gesamte Werkzeug momentan weiter erarbeitet", so Peskow.
Zu einer zweiten Mobilmachungswelle hat sich der Kreml bislang nicht geäußert. Der ukrainische Militärgeheimdienst, das britische Verteidigungsministerium und auch Beobachter etwa von der unabhängigen russischen Medienseite Verstka gehen davon aus, das diese in Kürze bevorstehen könnte.
ISW: Russland richtet sich auf langfristigen Krieg ein
Nach Ansicht des Think Tanks Institute for the Study of War (ISW) bereitet Russland eine entscheidende strategische Aktion in der Ukraine vor. Ziel sei es, in den kommenden sechs Monaten die Initiative wieder an sich zu reißen und den ukrainischen Erfolgen seit September ein Ende zu bereiten, erklärte das ISW.
Es gebe Anzeichen dafür, dass Russland die von der Moskauer Führung bislang als militärische Spezialoperation verkaufte Invasion nach Monaten voller Niederlagen in einen "großen konventionellen Krieg" verwandeln wolle, so das ISW.
Es verwies auf Berichte über ernsthafte Vorbereitungen Russlands, zusätzliche Soldaten zu mobilisieren, bereits mobilisiertes Personal einsatzbereit zu halten, die Produktion von Militärgütern zu steigern und die Kommandostruktur umzubauen.
London: Russland hat Probleme mit Zielgenauigkeit
Nach Angaben britischer Geheimdienste hat die russische Armee Schwierigkeiten, ihre Angriffe im Krieg gegen die Ukraine zielgenau auszuführen und Folgeschäden vorab einzuschätzen. Beispiele aus dem Krieg zeigten, dass Russland Schwächen bei der Angriffsfähigkeit mit Langstreckenwaffen habe, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.
Als Beispiel nannten die Briten den Angriff auf einen Wohnkomplex in der ukrainischen Stadt Dnipro. Der dort vor einigen Tagen eingeschlagene Raketentyp sei wegen des Radarsystems notorisch ungenau beim Einsatz auf Ziele am Boden und in Städten. Der Angriff war der folgenreichste von mehreren russischen Angriffen am vergangenen Wochenende gewesen.
Mit Informationen von Stephan Laack, ARD-Studio Moskau