100 Jahre BBC Ein Sender in der Defensive
Im 100. Jahr ihres Bestehens steht die BBC unter Druck wie nie zuvor: Die britische Regierung möchte die Gebührenfinanzierung abschaffen. Angriffe auf den Sender sind keine Seltenheit.
Um deutlich zu machen, welchen Angriffen die BBC ausgesetzt ist, muss man nur das Radio anmachen. In der vergangenen Woche wurde dort Jacob Rees-Mogg interviewt. Die Moderatorin fragte den Wirtschaftsminister, warum die Regierung denn nicht die Pläne zur Finanzierung der Steuersenkungen vorbringe. Immerhin sei nach der Pressekonferenz zu den Steuersenkungsplänen das Pfund gefallen, danach geriet der Anleihemarkt in Turbulenzen, die Zentralbank musste Stützungskäufe durchführen. Diesen Zusammenhang bestätigen Händler und Finanzmarktexperten.
Unterstellungen und Vorwürfe
Doch Rees-Mogg leugnete das und warf der Moderatorin vor, Zusammenhänge herzustellen, die - angeblich - nicht belegbar seien. Das widerspreche den Grundsätzen, dass die BBC überparteilich sein müsse. Die Frage sei ein Kommentar. Ein typisches Beispiel.
Premierministerin Liz Truss sagte auf einer Wahlkampfveranstaltung, der rechte Sender GB News habe die Fakten ja stets parat - anders als die BBC.
Diese Unterstellungen zeigen sehr deutlich, welchen Angriffen die BBC 100 Jahre nach der Gründung ausgesetzt ist. Die Regierung wehrt sich gegen kritischen Journalismus, indem sie den Sender diskreditiert. Die Finanzierung durch Gebühren möchte die Regierung am liebsten abschaffen. Es werden alternative Finanzierungsmodelle diskutiert.
"Unausgewogen und links"
In diesem Umfeld ist die Arbeit für die Journalisten der BBC nicht einfach. Die Journalistin Emily Maitlis hat die BBC gerade verlassen. Sie warnte in einer vielbeachteten Rede, dass Journalismus sich verändern muss, Missstände ansprechen muss, sich nicht einschüchtern lassen dürfe.
Maitlis erzählte: "Von Liz Truss hörten wir bereits zwei Mal, dass eine Idee, die scharf kritisiert worden war, 'missinterpretiert' worden ist und dass eine Frage von einem linken Standpunkt aus gestellt wurde."
Die BBC - so stellen es viele konservative Abgeordnete dar - sei unausgewogen, voreingenommen und links. Und die Redaktionen reagieren - in Teilen - indem sie eine Bewegung nach rechts durchführen, um der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Beispiel Brexit und die Kritik
Ein Beispiel aus dem Jahr 2016, als Großbritannien diskutierte, welche Auswirkungen der Brexit haben würde: Maitlis schilderte aus dem Redaktionsalltag: "Unsere Producer brauchten keine fünf Minuten, um 60 Wirtschaftswissenschaftler zu finden, die den Brexit kritisierten. Und es waren fünf Stunden nötig, um eine einzige Stimme zu bekommen, die dem widersprach. Aber als wir auf Sendung gingen, hatten wir einen von jedem Standpunkt."
Und für den Zuschauer mag nicht ausreichend deutlich geworden sein, dass es schlichtweg kaum Ökonomen gab, die die Vorzüge des Brexits erkennen konnten - was bis heute so geblieben ist.
Medien in der Defensive
Die Wissenschaftlerin Ayala Panievski hat dieses Phänomen in Israel untersucht und eine wissenschaftliche Arbeit dazu geschrieben. Dort wird vielen Medien ebenfalls von der Regierung vorgeworfen, links zu sein und von "Kommunisten" durchzogen.
"Weil ihnen das dauernd vorgeworfen wird, links zu sein, bewegen sie sich nach rechts, um den Vorwurf zu entkräften", meint Panievski.
Doch das werde in der Öffentlichkeit so nicht wahrgenommen, sagt Panievski. Am Ende gewännen die Populisten, die ihre Standpunkte verbreiten könnten, die Medien kämen nicht aus der Defensive heraus.
Gefahr: Populisten gewinnen die Oberhand
Das Bild, die Medien seien die Feinde des Volkes, was der ehemalige US-Präsident Donald Trump gern verwendete, setzte sich fest.
Panievski erklärt: "Journalisten fürchten dann auch, wenn sie Themen, die Populisten setzen, nicht abbilden, dass die Zuschauer dann sagen: 'Seht, sie sind nicht objektiv.' Und dann wird es doch berichtet. Und dann haben wir die Situation, dass die Populisten über die Berichterstattung bestimmen."
Zum 100. Geburtstag der BBC wünscht Panievski mehr Mut. Viele Medien erlebten einen wichtigen Punkt in der Geschichte. Nun gehe es darum, die eigene Arbeit nicht untergraben zu lassen. Medien seien machtvoll. Sie müssten unabhängig entscheiden, welche Information für den Hörer, die Hörerin wichtig sei.