Iren entscheiden zum zweiten Mal Zitterpartie für die EU
Kommissionspräsident Barroso schleppt das Thema EU-Reform seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren mit sich herum. Entsprechend viel haben die Brüsseler Diplomaten dafür getan, den Iren ein "Ja" so schmackhaft wie möglich zu machen. Sektkorken werden so oder so nicht knallen.
Von Michael Götschenberg, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
In Brüssel will man gar nicht daran denken, dass die Iren ein zweites Mal "Nein" sagen könnten. Das wäre der Super-GAU. Das erste "Nein" der Iren war schon eine Katastrophe gewesen - immerhin war es die einzige Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag EU-weit. In den vergangenen Monaten hat man alles getan, damit es beim zweiten Anlauf klappt.
"Die irische Regierung hat alles bekommen worum sie gebeten hat", sagt José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission. Von einer Zusage darüber, dass die Iren keine Schwangerschaftsabbrüche zulassen müssen, bis zur Versicherung, dass auch in Zukunft kein EU-Land auf einen eigenen EU-Kommissar verzichten muss - der Strauß war ziemlich bunt, den man gebunden hat, um die Iren zu einem "Ja" zu bewegen.
Die Befürworter des Vertrags werben in Dublin für ein "Ja"...
EU wäre mit ihrem Latein am Ende
Doch in Brüssel war man bereit, so ziemlich alles zu tun, um das Thema Lissabon-Vertrag endlich vom Tisch zu bekommen. "Das ist wichtig für uns hier in Brüssel, aber es ist nicht das, was die Menschen in Europa interessiert", sagt EU-Kommissionspräsident Barroso, der das Thema seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren mit sich herum schleppt.
Barroso macht drei Kreuze, wenn die Reform der EU mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages endlich über die Bühne geht. Zumal die EU bei einem zweiten "Nein" der Iren endgültig mit ihrem Latein am Ende wäre: Denn einen Plan B, wie die Reform der EU dann noch zu retten wäre, gibt es nicht.
"Das würde in Europa erst einmal alles so weitergehen, und dann würden einige EU-Länder hingehen und ein Kerneuropa bilden", sagt der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Eine Spaltung Europas sei nicht im deutschen Interesse, so Brok. Und auch nicht im Interesse Brüssels.
Verfassungsklagen in Tschechien
Die Sektkorken wird man in Brüssel allerdings auch nicht knallen hören, wenn die Iren am Samstag "Ja" sagen. Denn selbst dann ist die Kuh noch immer nicht vom Eis. Polens Präsident Lech Kaczinski hat noch nicht unterschrieben, will das aber tun, sobald die Iren zugestimmt haben.
Der irische Ministerpräsident Brian Cowen rief schon im Juni 2008 zum "Ja" auf.
Das größte Problem ist Tschechien: dort folgt eine Verfassungsklage gegen den Lissabonvertrag auf die andere. Und der tschechische Präsident Vaclav Klaus höchstselbst ist ein erklärter Gegner des Vertrags und verweigert ihm bisher die Unterschrift, obwohl das Parlament ihn bereits abgesegnet hat.
Es bleibt eine Zitterpartie
"Ich glaube, dass der tschechische Präsident sich dem Druck nicht entziehen kann, wenn die Iren 'Ja' sagen - ich glaube, dass der Druck dann zu groß sein wird", meint der FDP-Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Sicher ist das allerdings nicht. Mit anderen Worten: Es bleibt eine Zitterpartie, auch über die Volksabstimmung in Irland hinaus.