Frankreich geht massiv gegen Einwanderer vor "Aber ich bin doch Französin!"
Bis zu 300.000 illegale Einwanderer leben in Frankreich - viel zu viele, meint die Regierung Sarkozy. Sie will die Menschen abschieben, mittels eines EU-weiten Immigrationspaktes, der die bisherigen Regelungen verschärfen soll. Den Illegalen - von denen viele seit Jahren in Frankreich leben und Steuern zahlen - macht das Angst.
Vom Angela Ulrich, ARD-Hörfunkstudio Paris
Rund 100 Menschen haben sich vor dem Rathaus im Pariser Osten versammelt, in Belleville, dort, wo viele Einwanderer leben. Kinder spielen, ihre Eltern diskutieren und halten Schilder in die Höhe: Nein zur Ausweisungen ist darauf zu lesen. Nachbarn machen mobil für bedrohte Familien, wie etwa die von Fatima: "Ganz ehrlich: Wir haben Angst. Mein Mann, ich, meine Kinder. Der Grosse vor allem. Er hat mir gesagt: ich lerne doch hier, gehe zur Schule - wenn ich jetzt weg muss! Ich habe Angst", sagt sie.
Fatima und ihr Mann Hamid kommen aus Algerien. Seit sieben Jahren leben sie in Frankreich - illegal. Ihre Kinder zwischen acht und 18 Jahren gehen hier zur Schule, deshalb werden sie geduldet. Aber regelmäßig zum Beginn der Schulferien, wie jetzt, hat Fatima Angst, doch abgeschoben zu werden. Auch ihre Tochter Leila versteht die Welt nicht mehr, sagt Fatima: "Sie sagt mir immerzu: Mama, ich bin doch Französin. Ich will hier bleiben, nicht weggehen müssen. Kann ich das nicht Sarkozy erklären?"
Hardliner Sarkozy: Mehr Hochqualifizierte, weniger Illegale
Doch das Credo des Präsidenten und seines Einwanderungsminister Hortefeux lautet: Es sollen mehr hochqualifizierte Jobsuchende kommen, Illegale im Gegenzug konsequenter abgeschoben werden. Hortefeux zog vor kurzem stolz Bilanz seines ersten Amtsjahres: Fast 30.000 der sogenannten "Sans Papiers" - der Menschen ohne Papiere - sind seit Sarkozys Amtsantritt in ihre Heimatländer zurückgebracht worden, ein Drittel mehr als in den zwölf Monaten zuvor. Ein Erfolg für die Regierung: "Es gibt keine Beihilfe zur Illegalität in unserem Land. Wenn jemand die Verpflichtungen einhält, die er bei der Ankunft auf unserem Boden eingeht, dann ist alles in Ordnung. Wenn das nicht so ist, wird der Aufenthalt unterbrochen. Unsere Politik ist ehrlich, klar, transparent und gerecht."
Nach Schätzungen leben zwischen 200.000 und 400.000 Illegale in Frankreich. Mit einem EU-weiten Immigrations-Pakt will Sarkozy dagegen angehen. Dazu sollen massenhafte Legalisierungen verboten werden, wie es sie zuletzt in Spanien oder Italien gab. Der Pakt sieht außerdem schärfere Kontrollen der EU-Außengrenzen vor, erleichterte Abschiebungen und Quoten für Einwanderer, je nach Land und Berufsgruppe.
Vor allem dass massiv illegale Einwanderer abgeschoben werden, empört Menschenrechtsgruppen. Viele der "Sans Papiers" arbeiten in Frankreich und zahlen Steuern, macht Pierre Henry von der Organisation Terre d’Asyle klar: "Wir haben es mit einer absurden und ungerechten Politik zu tun, weil die Kriterien für die Anerkennung von Einwanderern unübersichtlich und wahllos sind. Das führt zu persönlichen Dramen und soll nur ein bestimmtes Wählerklientel beruhigen!"
"Da muss man Widerstand leisten"
Ausländer in einem Abschiebelager bei Paris haben gerade aus Protest in ihrem eigenen Gefängnis Feuer gelegt. Vor dem Rathaus im Pariser Osten vermittelt das Aktionsbündnis "Erziehung ohne Grenzen" an diesem Nachmittag Patenschaften für bedrohte Familien. Die Paten sollen bei Behördengängen helfen oder notfalls Unterschlupf gewähren.
Fatima hat gerade eine Patin bekommen, Francoise. Ihre Töchter gehen in eine Klasse. Francoise ist empört: "Das ist eine unhaltbare Situation, die Leute so rauswerfen zu wollen. Da muss man auf jeden Fall Widerstand leisten. Wir sind fast eine Volksbewegung geworden, weil es um etwas sehr Menschliches geht. Es ist auch eine moralische Unterstützung, die wir geben wollen. Um den Familien zu zeigen, dass sie nicht allein sind."