EU-Parlament stimmt über Kommission ab Es gibt viel zu tun für die Neuen
Das EU-Parlament hat über die neuen Kommissare abgestimmt. Auf sie warten schwierige Aufgaben - davon ist auch der neue Deutsche in den Reihen nicht ausgenommen: Günther Oettinger, der künftig für die Energiepolitik der EU verantwortlich ist.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkkorrespondentin Brüssel
Bevor die Wahl über die Bühne gehen kann, wollen die Abgeordneten noch ein paar schriftliche Zusicherungen: Es geht um eine Vereinbarung, in der die Zusammenarbeit zwischen Kommission und Parlament geregelt wird. Nach vielem Hin und Her, Machtkämpfen und Drohgebärden hat Kommissionschef José Manuel Barroso eingelenkt, er will künftig Kritik der Abgeordneten an der Arbeit von Kommissaren ernst nehmen und umsetzen, außerdem soll das Parlament zumindest indirekt ein Gesetz anstoßen können.
Die konservativen Politiker im Parlament sind zufrieden, so sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber: "Das heißt, das Europäische Parlament verfügt nun über alle Rechte, die man benötigt: Haushaltsrecht, Kontrollrecht und Gesetzesinitiativrechte - mehr kann man nicht verlangen." In anderen Fraktionen, etwa bei den Grünen, gibt man sich zurückhaltender. Da heißt es: Noch sind die Details nicht ausgearbeitet, wir wollen uns nicht zu früh freuen.
Zustimmung so gut wie sicher
Doch es wäre schon eine große Überraschung, wenn das die für den frühen Nachmittag angesetzte Wahl der Kommissare torpedieren würde. Denn im Großen und Ganzen ist man im Parlament zufrieden mit den 26 neuen Kommissaren. Einen faulen Apfel, so heißt es, habe man ja noch aussortiert. Gemeint ist die erste bulgarische Kandidatin für das Ressort humanitäre Hilfe, die bei der Anhörung durchfiel, aber flugs durch eine weitaus überzeugendere Politikerin ersetzt wurde.
Und wie sieht es mit dem neuen deutschen Vertreter in Brüssel aus - Günther Oettinger? Da scheiden sich die Geister. Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms spricht von einer grundfalschen Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, den CDU-Mann aus dem Ländle abzuziehen und nach Brüssel zu schicken. Und Harms begründet das so: Das sei nicht europäisch gedacht, sondern hatte sehr stark innenpolitische Gründe. "Oettinger war in einem Karriereknick, hat die CDU in Baden-Württemberg mit nach unten genommen und offenbar brauchte man in dem Bundesland einen neuen Spitzenkandidaten. Plötzlich ist Oettinger also der beste Deutsche für die Kommission in Brüssel - ich halte das für zweifelhaft, so vorzugehen."
Viele in Brüssel hätten erst einmal gefragt "Günther wer?" - und dann nachgeschoben, man habe doch schon ein politisches Schwergewicht erwartet, etwa Ursula von der Leyen, die ja sogar nach Brüssel gehen wollte, aber nicht durfte, und jetzt in Berlin das Arbeitsministerium verantwortet.
Oettinger muss Energiesicherheit angehen
Etwas entspannter sieht man das bei der SPD, Jo Leinen mahnt dazu, abzuwarten und dem Schwaben eine Chance zu geben. "Nun leben wir mit Herrn Oettinger und der europäischen Energiepolitik. Wenn das gut gemacht wird, ist das auch eine wichtige Thematik. Europa ist verletzlich, verwundbar, wir haben unsichere Energieversorgungswege, wir sind nicht gut vernetzt, um uns gegenseitig zu helfen." Und genau da sei Oettinger gefragt. Er müsse eine europäische Energiepolitik organisieren.
Befragt zur Erwartung an das gesamte Kommissionsteam hört man dagegen quer durch alle Fraktionen, mehr Abstimmung mit dem Parlament und damit ein bisschen Emanzipation von den Staats- und Regierungschefs und deren doch oft sehr nationalen Interessen sei wünschenswert. So sagt der CSU-Abgeordnete Manfred Weber: "In den letzten fünf Jahren hatten viele Abgeordnete das Gefühl, dass die Kommission stärker auf Befehl der Mitgliedsstaaten gehandelt hat. Ich würde mir jetzt wünschen, dass mehr Eigeninitiative kommt und mehr Führerschaft für Europa."
Allerhand Problemfelder
Und da gibt es einiges zu tun: Beim Klimaschutz darf sich die EU nicht vom mageren Ergebnis des Kopenhagen-Gipfels ins Bockshorn jagen lassen, die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind noch lange nicht umfassend abzusehen. Die Staatsverschuldung vieler Mitgliedsstaaten ist bedenklich, Griechenland droht gar der Bankrott. Und: das Budget der EU steht auf dem Prüfstand, die schwierige Frage nach der neuen Verteilung der Mittel muss beantwortet werden. Ein Spaziergang wird das wahrlich nicht.