Hoffen auf Durchbruch für Reformvertrag Verhaltene Zuversicht über den EU-Gipfel
In Lissabon hat der entscheidende EU-Reformgipfel begonnen. Trotz Vorbehalten aus Ländern wie Italien und Polen gaben sich die Teilnehmer verhalten optimistisch: Sie hoffen auf eine gemeinsame Basis für den neuen Grundlagenvertrag. Der Weg dahin wird jedoch hart, meint Bundeskanzlerin Merkel.
In Lissabon hat am Abend der EU-Reformgipfel begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet dabei mit zähen Verhandlungen. "Wir sind jetzt wenige Millimeter vor dem Ziel, aber noch nicht in dem Ziel", sagte sie vor dem entscheidenden Gipfel zur Reform der Europäischen Union in der portugiesischen Hauptstadt. Sie erwarte "schwierige Beratungen", sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Hauptkritiker Polen und Italien. Insofern gehe sie mit "sehr vorsichtigem Optimismus" in die Gespräche.
Merkel erwartet Probleme in letzter Minute
Merkel hatte die EU beim Juni-Gipfel in Brüssel nach langwierigen Verhandlungen auf den neuen Reformvertrag eingeschworen. An dem Abschlussentwurf des Textes, den der portugiesische EU-Vorsitz vorgelegt hat, müssten die Staats- und Regierungschefs "noch eine ganze Menge arbeiten", sagte Merkel. "Es ist ja oft so, dass in der letzten Etappe noch einiges auftritt, was dann gar nicht so einfach
zu lösen ist", sagte die Kanzlerin.
Juncker und Barroso appellieren an Abweichler
Rückendeckung erhielt Merkel von Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker. Europas dienstältester Regierungschef betonte, jetzt müsse endlich Schluss sein mit der "europäischen Nabelschau". Nach den jahrelangen Debatten sei er aber zuversichtlich, dass in Lissabon ein Abschluss gefunden werden könne. Zugleich appellierte Juncker an Länder wie Großbritannien, Italien und Polen, ihre Politik der Sonderwege aufzugeben. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief die Mitgliedstaaten ebenfalls zur Einigung auf: "Ich hoffe, dass wir heute oder morgen einen Konsens über den Reformvertrag haben."
Einigung mit Polen greifbar nahe
Im Streit mit Polen um die Ioannina-Klausel ist offenbar ein Lösung gefunden. Die Klausel bietet die Möglichkeit bei knappen Entscheidungen in den Ministerräten, Beschlüsse zu verzögern. Diplomaten sagten, der Mechanismus könnte entsprechend in
einem Protokoll zu den Verträgen festgehalten werden und sei damit rechtlich verbindlicher als die zunächst vorgesehene Form einer Erklärung. Robert Draba, Staatssekretär in der Kanzlei von Präsident Lech Kaczynski, sagte: "Die Chancen auf eine Einigung mit Polen liegen bei 80 bis 90 Prozent."
EU-Ratspräsident glaubt an Durchbruch
Der amtierende EU-Ratspräsident Jose Socrates erwartet einen Erfolg des Reformgipfels in Lissabon. "Es ist ein fantastischer Tag, und ich glaube, wir bekommen einen fantastischen Vertrag", sagte der portugiesische Ministerpräsident. Socrates kündigte zudem an, dass der EU-Grundlagenvertrag "Vertrag von Lissabon" heißen soll. Zur Drohung des italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi, den Gipfel wegen eines Streits über die künftige Sitzverteilung im EU-Parlament notfalls platzen zu lassen, sagte Socrates: "Es ist jetzt zu früh, darüber zu reden." Der portugiesische Außenminister Luis Amado hatte zuvor angekündigt, die EU-Ratspräsidentschaft wolle Kompromissvorschlag vorlegen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten in der portugiesischen Hauptstadt zu einem zweitägigen Gipfel zusammenkommen, um den bereits in den Grundzügen vereinbarten Vertrag unter Dach und Fach zu bringen. Der neue Vertrag soll die erweiterte EU handlungsfähiger und demokratischer machen.
Ukrainische Vertreter für enge Kooperation mit der EU
In Lissabon weilen auch der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko und die designierte Regierungschefin Julia Timoschenko. Sie erklärten, ihr Land näher an die EU heranführen zu wollen: "Unser strategisches Ziel ist die Integration in die EU", sagte Juschtschenko. Zwei Drittel der Bevölkerung der Ukraine unterstützten das Ziel der EU-Mitgliedschaft. Hauptaufgabe sei aber zunächst, das Land zu stabilisieren. Beide Politiker hatten zuvor an einem Treffen der konservativen Partei- und Regierungschefs in der EU teilgenommen.
Nach den Wahlen am 30. September hatten die bisherige Oppositionsführerin Timoschenko und die Präsidentenpartei Unsere Ukraine die Bildung einer prowestlichen
Koalition mit der knappen Mehrheit von 228 von 450 Sitzen angekündigt.