EU will Bürgerbegehren einführen Eine Million für ein neues Gesetz
Ein Stück Basisdemokratie in der EU: Bürger sollen künftig selbst Gesetzesinitiativen einbringen können. Das sieht der Lissaboner Vertrag vor. Es müssen sich nur eine Million Bürger einig sein, so viel ist sicher. Wie viele weitere Hürden es geben soll, darüber sind sich die EU-Politiker noch nicht einig. Die EU-Kommission legte jetzt ihren Gesetzesentwurf vor. Dem müssen aber noch das EU-Parlament und die EU-Staaten zustimmen.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Politisch etwas zu bewegen, kann sehr anstrengend sein, zum Beispiel für einen Bürger Großbritanniens: "Wenn Sie hier eine Gesetzesinitative auf den Weg bringen wollen, müssen Sie erst einmal einen Abgeordneten finden", klagt Diana Wallis. Dieser müsse das Glück haben, regelmäßig Wahlen zu gewinnen. Doch die Regierung werde einem das Ganze am Ende wieder ausreden.
Kein Wunder, dass die liberale Europa-Abgeordnete aus Großbritannien große Hoffnungen in das neue Europäische Bürgerbegehren setzt. Dieses Stück Basisdemokratie wird durch den Vertrag von Lissabon eingeführt, damit die so oft und gern als bürgerfern gescholtene EU endlich eine Verbindung zur Basis bekommt. Noch in diesem Jahr soll der rechtliche Rahmen fertig sein, hofft EU-Kommissar Maros Sefcovic: "Das würde zu stärkeren, besseren, grenzüberschreitenden Debatten über EU-Themen führen statt nur über nationale Themen, wie wir es so oft in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten beobachten".
Wie hoch sollen die Hürden werden?
Soviel steht schon fest: Wenn sich eine Million Bürger zusammenfinden, können sie die EU-Kommission auffordern, ein Gesetz zu einem bestimmten Thema vorzuschlagen. Doch die Million muss einigermaßen repräsentativ sein. Geht es nach dem Parlament, müssten die Bürger aus einem Viertel der 27 EU-Staaten stammen, das wären dann aufgerundet sieben Länder. Die EU-Kommission will die Hürde höher legen und fordert, dass sich Bürger aus neun Staaten finden müssen. Diese Staaten sollen zusätzlich nach ihrer Größe gewichtet werden.
Gerald Häfner von den deutschen Grünen fordert zudem einen Drei-Stufen-Check, mit dem zunächst formal überprüft wird, ob die Unterschriften zustande gekommen sind. Dann müsse rechtlich untersucht werden, ob das Ganze in die Zuständigkeit der EU falle und schließlich müsse der Inhalt geprüft werden, so Häfner.
Abschaffung der EU nicht möglich
Klar ist, dass kein Bürgerbegehren legitim sein kann, das grundlegende Werte der EU in Frage stellt. Die Einführung der Todesstrafe oder gar die Abschaffung der EU an sich fielen in eine solche Kategorie. Eva Lichtenberger von den österreichischen Grünen fordert zudem eine zügige Bearbeitung der Initiativen: "Es ist ein enormer Aufwand, eine Million Unterschriften zusammen", sagt sie, "Wenn dies dann ohne relevante Behandlung im Papierkorb landet, wird der Demokratie ein Bärendienst erwiesen."
Die EU-Kommission will sich deshalb, so ist zu hören, zwei Fristen setzen: Sind die ersten 300.000 Unterschriften da, will sie innerhalb von drei Monaten prüfen, ob die Initiative überhaupt zulässig ist. Anschließend hätte sie weitere vier Monate, um die Initiative an sich zu analysieren. Weist sie sie zurück, wird sie ihre Entscheidung öffentlich begründen müssen.
Bürger verhinderten frühere Einführung der Bürgerbegehren
Ein mögliches Thema für das erste Bürgerbegehren steht schon fest: Der CSU-Abgeordnete Martin Kastler will mit Hilfe von 999.999 Unterstützern den Sonntag als Ruhetag in der EU festschreiben. Das Motto klingt vertraut: Sonntags gehören Mami und Papi uns! Kastler rechnet sich gute Chancen aus. Ihm ist das Bürgerbegehren allerdings nicht genug. Er fordert, nach dem Vorbild seiner bayrischen Heimat echte Bürgerentscheide einzuführen. Doch damit wird sich die EU noch viel Zeit lassen. Wäre der Vertrag von Lissabon nicht dreimal an solchen Volksentscheiden gescheitert, wäre das neue Bürgerbegehren schon seit Jahren Realität.