EU-Außenminister-Treffen in Stockholm Verstimmung über NATO-Angriff in Afghanistan
Die Afghanistan-Politik stand bereits auf der Tagesordnung des EU-Außenministertreffens in Stockholm. Der NATO-Angriff mit möglichen zivilen Opfern verdeutlicht umso mehr, dass sich das Verhältnis der NATO zum afghanischen Volk ändern muss. Auch die EU kämpft mit Misserfolgen.
Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Verstimmung, aber auch die Erschütterung über das Bombardement im Norden Afghanistans war den versammelten EU-Außenministern anzumerken. Eigentlich wollten sie ihr zweitägiges Treffen in Stockholm nutzen, um abseits der Brüsseler Routine über neue Ansätze in der Afghanistan-Politik zu beraten. Doch nach dem blutigen Angriff auf zwei Tanklastzüge mit bis zu 90 Toten herrscht erst einmal Rechtfertigungszwang. EU-Chefdiplomat Javier Solana zeigte sich betroffen und nannte den Vorfall dramatisch. Es tue ihm leid für die Opfer und ihre Familien, so der EU-Chefdiplomat.
Entscheidender Moment im Verhältnis zum afghanischen Volk
Bestürzung auch beim britischen Außenminister David Miliband, gepaart allerdings mit gezügelter Wut über die abermals zahlreichen Toten, obwohl noch immer nicht klar ist, ob es sich bei den Opfern ausschließlich um Taliban-Rebellen handelt oder ob, wie afghanische Behördenvertreter vor Ort behaupten, auch Kinder und andere Zivilisten ums Leben gekommen sind. "Es ist ein entscheidender Moment, um die NATO-Truppen und die afghanische Bevölkerung endlich zueinander zu bringen. Vorfälle wie dieser tragen ganz offensichtlich nicht dazu bei. Wir müssen deshalb ganz klar sagen, was da passiert ist und wir müssen sicherstellen, dass so etwas nicht wieder vorkommt", betonte der britische Außenminister.
Vollständige Aufklärung versprochen
In Brüssel kündigte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eine Untersuchung des Luftschlages an. Die NATO habe Spezialisten aus dem Hauptquartier der alliierten Truppen in Kabul nach Kundus entsandt, die den Vorfall nun genau und rasch untersuchen sollen. "Die Afghanen müssen wissen, dass wir uns verpflichtet haben, sie zu beschützen. Wir werden die Umstände dieses Angriff deshalb umgehend und vollständig aufklären", sagte Rasmussen.
Die Debatte über die Strategie der Internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan dürfte dennoch neue Nahrung erhalten, nicht nur in Deutschland. Schwedens Außenminister Carl Bildt betonte zwar, dass in den vergangenen Wochen bereits weniger zivile Opfer zu beklagen waren, der neue Kurs zeige bereits erste Früchte. Die Europäer werten es auch als gutes Zeichen, dass die Wahl friedlicher und demokratischer abgelaufen sei als vielfach erwartet. Gleichzeitig verhehlen sie nicht, dass es nicht ausreichend gelungen ist, die Verantwortung in die Hände der Afghanen zu legen. Vor allem die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte verläuft schleppend, allen voran die der Polizei. Genau dafür ist die EU verantwortlich. Es ist kein Ruhmesblatt für die Europäische Außenpolitik.