EU-Treffen zum Asylstreit Gedämpfte Erwartungen vor dem Gipfel
Für Kanzlerin Merkel geht es beim EU-Gipfel in Brüssel um viel. Dennoch dämpfte ihr Umfeld die Erwartungen an das Treffen. Auch die österreichische Regierung rechnet nicht mit einem Beschluss zur Flüchtlingspolitik.
Unter hohem Erfolgsdruck sucht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heute beim EU-Gipfel in Brüssel nach einem Ausweg aus dem erbitterten Asylstreit mit der CSU. Bis zum Wochenende will sie eine europäische Lösung präsentieren, die Innenminister Horst Seehofer von einem nationalen Alleingang abhalten soll. Der CSU-Chef will Migranten an der deutschen Grenze zurückweisen lassen. Vor der Reise nach Brüssel gab Merkel am Vormittag im Bundestag eine Regierungserklärung ab.
Die CSU will Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, wenn diese zuvor bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Merkel ist dagegen, so etwas ohne Abstimmung mit den EU-Partnern zu tun. Für eine europäische Lösung mit bilateralen Rücknahme-Vereinbarungen hat die CSU-Spitze der Kanzlerin bis Ende Juni Zeit eingeräumt.
Getrennte Beratungen über weiteres Vorgehen
In der ARD-Sendung "Maischberger" bekräftigte Seehofer die Position der CSU, signalisierte aber zugleich Einigungsbereitschaft. "Ich kenne bei mir in der Partei niemand, der die Regierung gefährden will in Berlin, der die Fraktionsgemeinschaft auflösen möchte mit der CDU oder der gar die Kanzlerin stürzen möchte", sagte Seehofer.
Am Sonntag wollen die Führungsmannschaften von CDU und CSU getrennt über die Ergebnisse des EU-Gipfels und das weitere Vorgehen beraten. Die CSU-Spitze trifft sich dazu in München, die CDU-Spitze in Berlin. "Wir wollen schon am Sonntag Klarheit", hatte Seehofer gesagt.
Bruch des Unions-Bündnisses möglich
Ein Alleingang des Bundesinnenministers könnte den Bruch des Unions-Bündnisses und damit ein Ende der Koalition bedeuten. Der frühere CSU-Chef Theo Waigel warnte vor einem Ende der Fraktionsgemeinschaft und dem Platzen der GroKo. "Das wäre unvertretbar und würde uns nachhaltig schaden. Das sollte jeder wissen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Am Asylstreit "dürfen eine Regierungskoalition und das Bündnis von CDU und CSU nicht scheitern".
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz rechnet nach eigenen Worten nicht damit, dass der Asylstreit zwischen CDU und CSU die politische Zukunft von Bundeskanzlerin Merkel bedroht. Auf die Frage, ob er denke, dass Merkel Regierungschefin bleiben werde, antwortete er am Rande einer Veranstaltung in Brüssel mit einem klaren "Ja". Er wünsche sich, dass sich CDU und CSU auf eine einheitliche Position einigen.
Außenministerin Kneissl: Österreich ist vorbereitet
Die österreichische Regierung rechnet nach Worten von Außenministerin Karin Kneissl jedoch nicht damit, dass beim EU-Gipfel in Brüssel eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik beschlossen wird. Die parteilose Politikerin sagte im Inforadio vom rbb, für die Asylfrage brauche es einen "umfassenderen Lösungsansatz" als nur über Verteilungsquoten nachzudenken. So müsse unter anderem der "Außengrenzschutz" verbessert werden.
Österreich sei darauf vorbereitet, falls sich Innenminister Seehofer mit seiner Forderung nach einer nationalen Lösung durchsetze, so Kneissl. "Wir werden diejenigen Personen, die andernorts schon registriert wurden, weiterschicken. Das findet schon statt. Wir haben einige hundert Fälle dieser Zurückweisungen bereits gehabt in den letzten Monaten", so Kneissl.
Österreichs Außenministerin Karin Kneissl: "Wir werden diejenigen Personen, die andernorts schon registriert wurden, weiterschicken. Das findet schon statt."
Die Ausgangslage bei diesem entscheidenden EU-Gipfel ist für Bundeskanzlerin Merkel schwierig. Die EU-Staaten sind in der Asylfrage seit Jahren tief zerstritten. Mehrere Länder haben schon kundgetan, dass sie nicht bereit sind, Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Merkels Umfeld dämpfte denn auch die Erwartungen an das Treffen. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es, es werde am Rande des Brüsseler Gipfels bilaterale Gespräche zu der Frage geben. Erste Signale seien positiv. Fest vereinbart seien solche Treffen aber noch nicht.
Griechenland will Merkel im Asylstreit unterstützen. Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte der "Financial Times", er sei offen für eine Sondervereinbarung mit Merkel. Dabei gehe um die Eindämmung des Problems, dass Flüchtlinge an den südlichen EU-Grenzen ankämen und sich dann weiter auf den Weg nach Deutschland machten. Griechenland werde solche Flüchtlinge zurücknehmen, wenn dies dabei helfe, Schleppern zu zeigen, dass Europa gegen illegale Einwanderung vorgehe.
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sprach sich für eine gemeinsame Lösung in der Flüchtlingspolitik. "Schaffen wir das nicht, droht ein Rückfall", warnte Avramopoulos in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".