Menschenrechtsgerichtshof Spaniens Abschiebepraxis rechtens
Spanien darf in seiner Exklave Melilla Migranten bei Grenzübertritt umgehend nach Marokko zurückweisen. Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist auch für andere EU-Staaten von Bedeutung.
Geklagt hatten zwei Flüchtlinge aus Mali und der Elfenbeinküste. 2013 hatten sie es bis in den äußersten Norden von Marokko geschafft. Dort, direkt am Mittelmeer, befindet sich die spanische Exklave Melilla: ein kleiner Landstrich von gerade mal 13 Quadratkilometern, der schon seit Jahrhunderten zu Spanien gehört. Im August 2014 gelang es den beiden Afrikanern, mehrere Grenzzäune zu überwinden. Doch sie wurden sofort von der spanischen Grenzpolizei festgenommen und nach Marokko zurückgebracht - ohne dass ihre Personalien aufgenommen und ohne dass sie zu ihrer Flüchtlingssituation befragt wurden.
Unterstützt wurden sie während des Verfahrens von der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Deren Generalsekretär Wolfgang Kaleck wirft den spanischen Grenzbehörden vor, rechtswidrig gehandelt zu haben: "Rechtlich wird Spanien vorgeworfen, die beiden Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention - nämlich das Verbot der kollektiven Ausweisung und das Recht auf Zugang zu den Gerichten, also einen ordentlichen Rechtsweg zu schaffen - verletzt zu haben."
Spanien: "Kein Recht auf illegale Einreise"
Das Vorgehen der spanischen Grenzbehörden habe System, meint der Jurist. Die beiden Kläger hätten sich deshalb stellvertretend auch für andere Flüchtlinge an den Straßburger Gerichtshof gewandt. "Sie hoffen, dass in Europa Recht nicht nur für diejenigen gesprochen wird, die Geld und Zugänge haben, sondern auch für diejenigen, die verletzbar und arm sind", sagt Kaleck. "Genau darum geht es auch in diesem Verfahren: dass die Schutzbedürftigen, die am wenigsten Sympathien auf sich ziehen, von der Rechtsordnung geschützt werden."
Die spanischen Vertreter wiederum hatten während der Gerichtsverhandlung im September 2018 argumentiert, dass kein Ausländer ein Recht auf illegale Einreise in das Land habe. Die Flüchtlinge hätten zusammen mit einer größeren Gruppe versucht, gewaltsam nach Spanien zu gelangen. Es sei Aufgabe der spanischen Grenzbehörden, ein solches Vorgehen zu unterbinden.
Urteil auch für andere EU-Staaten von Bedeutung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nun entschieden, dass die Grenzschützer rechtmäßig gehandelt haben. Die Kläger hätten sich selbst in eine unrechtmäßige Situation gebracht, indem sie versuchten, mit Gewalt über die Grenzzäune zu gelangen. Legale Wege, um nach Spanien zu gelangen, hätten sie nicht genutzt. In solch einem Fall liege kein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention vor.
Das Urteil ist nicht nur mit Blick auf Spanien von großer Bedeutung. Auch in anderen EU-Staaten werden Flüchtlinge direkt an der EU-Außengrenze immer wieder konsequent zurückgedrängt: in Ungarn, in Kroatien und in Griechenland. Deren Grenzschützer dürften sich durch die Entscheidung aus Straßburg bestätigt fühlen.
Aktenzeichen 8675/15 und 8697/15