Israels arabische Einwohner "Wir sind keine Minderheit!"
Rund ein Fünftel der Einwohner Israels sind Araber. Sie haben einen israelischen Pass, dürfen wählen und selbst gewählt werden. Dennoch fühlen sich viele von ihnen von der israelischen Politik benachteiligt. Wie etwa Daher Zeidani, Wirt aus Nazareth. Sebastian Engelbrecht hat ihn getroffen.
Von Sebastian Engelbrecht, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv
Montagmorgen in Nazareth: Die Glocken der Verkündigungskirche im Zentrum der Stadt läuten. Im Restaurant "Al-Reeda", in einer Gasse neben der Kirche, stehen die Fenster weit offen. Auf einem Tisch steht der Rest der nächtlichen Zeche: ein Guiness, ein Pils, vier leere Schnapsgläser. Der Wirt, Daher Zeidani, ist ein schlanker, hoch gewachsener Mann in den Fünfzigern. Er kommt aus einer muslimischen Familie, ist aber nicht religiös. Und er ist ein Araber mit israelischen Pass. Seit Generationen lebt seine Familie in Nazareth. Eigentlich gehe es ihm gut, findet Zeidani. Stark und erfolgreich sei er - das Geschäft läuft.
Und doch hat er Grund zur Klage. Zeidani leidet unter der Politik Israels. "Die größte und wichtigste Reaktion auf die israelische Politik ist, zu bleiben, einfach zu bleiben," sagt er. "Die Tatsache, dass man bleibt, ist das Schlimmste, was man der rassistischen Politik der Regierung, dem Staat Israel, antun kann."
Angst vor Vertreibung
Zeidani fühlt sich als Araber in Israel benachteiligt. Die Regierung überlasse Nazareth dem Chaos, es gebe nicht genügend Polizei, meint er. Die Schulen seien außerdem in einem miserablen Zustand und die Wirtschaft der arabisch geprägten Stadt werde durch die israelische Steuerpolitik gezielt geschwächt.
Manchmal fühlt sich Zeidani wie gelähmt. Er sagt, er lebe täglich mit der Angst, die Israelis könnten ihn eines Tages aus seiner Heimat vertreiben - so wie sie es vor 60 Jahren mit Zigtausenden taten. Manchmal höre er Gesprächssendungen im israelischen Radio. Daher wisse er, dass 70 Prozent der Israelis die Araber am liebsten aus ihrem Staat "rauswerfen" würden.
"Die Israelis sehen uns nicht als Araber, sondern als 'Minderheit'. Das ist ein Witz," findet Zeidani. "Sie reden, als wären sie das Osmanische Reich oder das Römische Reich. Dabei sind sie gerade mal fünf Millionen Menschen. Und es bedeutet ihnen etwas, dass sie über 'Minderheiten' reden. Wir sind Araber. Das hat mit 'Minderheit' nichts zu tun. Sie wünschen sich, wir wären eine."
Als "Minderheit" betrachtet zu werden, das verletzt Zeidani in seinem Stolz. Auch wenn nur ein Fünftel der Israelis Araber sind, so sind sie doch Repräsentanten der arabischen Mehrheit in der Region. Und alteingesessene Einwohner dazu.
Der Einheitsstaat als einzig mögliche Lösung
Zeidani begreift sich als Araber, ausdrücklich nicht als Palästinenser. Die Araber sind für ihn ein großes Volk, über die Grenzen von Nationalstaaten hinaus. Deshalb lehnt er auch einen palästinensischen Staat ab. Kleinstaaterei wäre ein historischer Rückschritt, meint er: "Ich will mit den Israelis leben. Ich will nicht, dass sie mir meine Rechte nehmen. Der einzige Weg, dass Palästinenser ihre Rechte bekommen, ist, dass ein Staat entsteht. Nicht zwei. Sie können es erreichen, wenn sie für Menschenrechte und Bürgerrechte kämpfen. Aber nicht mit Bomben und Gewehren.“
"Israel-Palästina" sollte der Staat heißen, der Einheitsstaat für beide Völker, meint Zeidani. Das sei die einzig mögliche Lösung.