Ausbreitung des Coronavirus Was in Deutschland jetzt wichtig wird
Das Coronavirus breitet sich auch in Europa aus. Und das macht Sorgen. Wie hoch ist die Gefahr für die Menschen in Deutschland? Was müssen Italien-Urlauber beachten? Und welche Maßnahmen sind bei Verdachtsfällen geplant?
Breitet sich das Virus auch in Deutschland aus?
Dies ist zumindest deutlich wahrscheinlicher geworden als vor dem Bekanntwerden der Fälle in Italien. Letztlich ist die Spurensuche das Entscheidende. Bei den 14 zunächst in Deutschland bestätigten Infektionen ließ sich die Ansteckungskette zurückverfolgen. In Italien dagegen fehlt diese entscheidende Information. Was dies aber nun genau heißt, darüber gehen die Einschätzungen in der Forschung auseinander.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von einer möglichen Pandemie. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiter als "gering" ein, weist aber daraufhin, dass sich das jederzeit ändern kann. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg dagegen sagte auf NDR Info:
Gerade die Ausbrüche in Italien, in Südkorea und im Iran haben jetzt vor Augen geführt, dass wir hier jetzt von einer Pandemie sprechen müssen. Wir konnten nicht verhindern, dass es zu Ausbrüchen außerhalb Chinas kommt.
Was ist mit Deutschen, die in Italien waren?
Sie müssen nicht besorgt sein, sofern sie weit entfernt von den bekannten Infektionsgebieten vor allem der Lombardei und Venetien gewesen sind. Aber die oberste Währung zur Eindämmung des Virus ist Information. Deshalb sagt die niedersächsische Gesundheitsministerin Carola Reimann mit Blick auf alle, die grippeähnliche Symptome haben:
Wer in Italien war, wer Erkrankungssymptome zeigt, wer mit Erkrankten in Italien zusammengekommen ist, der sollte das Gesundheitsamt kontaktieren. (...) Dann ist wichtig, erstmal zu klären: Ist es das Coronavirus, oder ist es ein Grippevirus, oder ist es ganz was anderes?
Für wen ist eine Ansteckung gefährlich?
Der aktuelle Stand der Forschung ist: Für die meisten jungen Menschen oder Menschen im mittleren Alter ist das Virus nicht lebensgefährlich, wenn sie grundsätzlich gesund sind. Die meisten Erkrankten zeigen vermutlich nur einen Infekt der oberen Atemwege, also erkältungsähnliche Symptome. Nicht ganz geklärt ist allerdings noch, unter welchen Bedingungen bei manchen Patienten die Krankheit einen sogenannten Etagenwechsel vollzieht, sich also auf die Lunge legt und dort schwere Symptome auslöst. Und warum auch Ärzte und Pflegepersonal in China schwer erkrankt oder sogar gestorben sind.
Bei den gut dokumentierten Fällen allerdings weiß man: Gefährlich ist das Coronavirus für ältere Menschen und die mit Vorerkrankungen. Es gibt kaum schwere Verläufe bei Kindern und Jugendlichen, und Männer sind ein wenig stärker betroffen als Frauen. Die Sterblichkeit bei den registrierten Fällen liegt bei rund zwei Prozent. Allerdings vermutet man, dass die Quote tatsächlich eher geringer ist, weil Fälle mit leichten Symptomen gar nicht erfasst sind.
Wie sinnvoll ist ein Vergleich mit der Grippe?
Der Vergleich macht zumindest deutlich, dass die gesundheitliche Bedrohung durch das Virus für die meisten keinen Grund zur Panik darstellen sollte. Das sagt selbst der Virologe Schmidt-Chanasit, der die Situation im Prinzip eher als besorgniserregend einstuft:
Wir sind noch weit davon entfernt, auf dem Niveau der Grippe zu sein, der saisonalen Influenza, wo wir weltweit ungefähr 650.000 Tote im Jahr haben. Das kann sich in den nächsten Wochen ändern.
Bei der Grippe machen sämtliche Isolierungsmaßnahmen wenig Sinn, weil das Virus in verschiedenen Ausprägungen längst verbreitet ist und an jeder Türklinke lauern kann. Eine Ansteckung ist damit also viel gefährlicher. Der entscheidende Unterschied ist, dass viele Menschen vermutlich längst Antikörper gebildet haben. Außerdem gibt es Impfstoffe für die Risikogruppen. Vor allem in Zeiten einer schweren Grippewelle, wie vor zwei Jahren, wurden zehn Millionen zusätzliche Arztbesuche in Deutschland gezählt. Deshalb ist es jetzt wichtig, Zeit zu gewinnen, bis die aktuelle Grippesaison abklingt. Denn eine doppelte Last - Grippe und Coronavirus - könnte das Gesundheitssystem nur schwer stemmen.
Helfen Atemschutzmasken gegen eine Ansteckung?
Hier ist sich die Forschung einig: Für gesunde Menschen ergibt es keinen Sinn, eine Maske zu tragen. Sie ist natürlich eine mechanische Barriere gegen Tröpfcheninfektion. Aber: Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie in der Münchner Klinik, die deutsche Patienten behandelt hatte, weist darauf hin, dass Masken nicht geeignet sind, um dauerhaft dahinter ein- und auszuatmen:
Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass die Befeuchtung der Maske den Barriereschutz schon im Bereich von 20 Minuten aufhebt. Da gibt es ganz klare Hinweise, dass langes Tragen vom Masken sinnlos ist.
Anders ist die Situation für Ärzte, die zum Beispiel eine Isolierstation betreten, und sich und bereits erkrankte Patienten vor weiteren Infektionen schützen - und die Maske nur kurz tragen.
Welche Maßnahmen sind bei Verdachtsfällen geplant?
Die Bundesregierung informiert auf ihrer Homepage über die wichtigsten Fragen und möchte auch Panik vorbeugen. In Deutschland sind keine drastischen Maßnahmen wie etwa Grenzschließungen geplant. Noch sei man nicht in der Situation darüber nachzudenken, ganze Städte abzuriegeln, heißt es beim Bundesinnenministerium. Was bereits in Deutschland angeordnet wurde, sind einzelne Maßnahmen wie etwa die Isolierung von Personen in Verdachtsfällen. Die Entscheidung über eine solche Quarantäne-Maßnahme trifft das zuständige Gesundheitsamt. Die Isolierung kann dann in einem Krankenhaus oder auch zu Hause erfolgen.
Was bedeutet eine Quarantäne?
Verhängt das Gesundheitsamt eine Quarantäne, muss diese beachtet werden. "Die Betroffenen müssen Folge leisten und dürfen die Quarantäne nicht verlassen", sagt Dr. Rudolf Ratzel von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV). Hält sich der Betroffene nicht daran, kann die Anordnung des Gesundheitsamts sogar gerichtlich und mit Polizeigewalt durchgesetzt werden. Die behördlichen Befugnisse gehen sogar so weit, dass Betroffene, die sich offenbar nicht an die Isolationsmaßnahmen halten, etwa im Krankenhaus eingeschlossen werden dürfen. Nötig ist für eine derartige Zwangsmaßnahme aber eine richterliche Anordnung.
Und was ist mit dem Lohnausfall während einer Quarantäne in Deutschland?
Sollte es wirklich einmal dazu kommen, muss in dieser Zeit niemand um sein Gehalt bangen. Wer isoliert werden muss, der könnte Anspruch auf eine Fortzahlung haben. "Ist eine Person tatsächlich krank und wird krankgeschrieben, gelten die normalen Regeln für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall", sagt die Arbeitsrechtsexpertin des DAV Doris-Maria Schuster. Das gilt sogar, wenn die Quarantäne nur vorbeugend, also noch bevor eine gesicherte Diagnose vorliegt, angeordnet wurde. Dann greift nur ein anderes Gesetz, nämlich das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten, das den Lohn weiterhin sichert. Das gilt auch für Selbstständige.