Prozess gegen Jimmy Lai Ratlosigkeit bei Hongkongs "Sicherheitsgesetz"
Der Aktivist Jimmy Lai soll gegen das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz in Hongkong verstoßen haben. Doch der Prozessauftakt wurde vertagt - bei der Umsetzung des Gesetzes herrscht offenbar Ratlosigkeit.
Es ging alles sehr schnell vor Gericht in Hongkong. In einem der prominentesten Fälle unter dem sogenannten Nationalen Sicherheitsgesetz haben die Richter entschieden, dass der Prozess vertagt wird.
Denn in Hongkong herrscht Ratlosigkeit darüber, wie das "Nationale Sicherheitsgesetz" in der Praxis umgesetzt wird. Dieses wurde im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung in Hongkong eingesetzt und kann de facto alles kriminalisieren, was sich gegen die Kommunistische Staats- und Parteiführung richtet.
Ungenaue Definition
Unklar ist, ob der ehemalige Medienunternehmer Jimmy Lai von einem britischen Anwalt vertreten werden darf. Das Oberste Gericht in Hongkong hatte dies zugelassen. Doch die Hongkonger Regierung will das verhindern. Sie hat die Pekinger Zentralregierung um Hilfe gebeten, das Gesetz genauer zu definieren.
"Dieses Vorgehen zeigt, dass die Hongkonger Regierung das Oberste Gericht und das seit Langem bestehende Justizsystem Hongkongs nicht ernst nimmt", sagt die Hongkongerin Kelly Chan der ARD. Die Regierung habe sich mit der Entscheidung des obersten Gericht unwohl gefühlt, habe sie nicht akzeptieren wollen. "Das ist so, als ob sie selbst alle Regeln bestimmen wollte", sagt sie.
Zweifel an fairem Prozess
Um eine Antwort aus Peking abzuwarten, soll der Prozess nun am 13. Dezember fortgesetzt werden. Beobachter gehen davon aus, dass die Pekinger Zentralregierung künftig nur eine Liste an auserwählten Anwälten zulassen könnte.
"Das spiegelt meiner Meinung nach die Art und Weise wider, wie das Justizsystem in Hongkong, das einst als eines der vorbildlichsten in der Welt galt, jetzt auf den tiefsten Stand gesunken ist", sagt der in Hongkong geborene Demokratie-Aktivist Samuel Chu, der heute in den USA lebt, im Interview mit der ARD. Jetzt bezweifelten die Menschen, überhaupt einen fairen Prozess zu erhalten.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Lai, dem Gründer der inzwischen aufgelösten Zeitung Apple Daily wird vorgeworfen, gegen das Nationale Sicherheitsgesetz verstoßen zu haben. Dabei geht es um die mutmaßliche Verbreitung von aufrührerischen Inhalten und um die sogenannte Verschwörung mit ausländischen Mächten, die die nationale Sicherheit gefährdeten.
Dass der 74-Jährige bereits seit fast zwei Jahren im Gefängnis sitzt, findet Samuel Chu nicht fair. "Es ist ein Prozess wegen Anschuldigungen der nationalen Sicherheit, der in erster Linie dazu dient, ihn hinter Gittern zu halten. Das ist die Realität für viele derjenigen, die unter dem Gesetz zur Nationalen Sicherheit angeklagt und verhaftet wurden", sagt er. Sie seien völlig abgeschnitten von der Außenwelt: "Sie können nicht mit Reportern sprechen oder mit Leuten wie mir."
Kein Gedenken der Demokratieproteste im Jahr 1989
Lai wird eine Reihe an Straftaten vorgeworfen. Vor einem Jahr ist er in einem anderen Verfahren von einem Gericht schuldig gesprochen worden. Er soll im Jahr 2020 zu einem verbotenen Gedenken an das Tiananmen-Massaker von 1989 aufgerufen haben.
Im Juni 1989 wurden in der chinesischen Hauptstadt Peking Demokratieproteste blutig niedergeschlagen. In China darf darüber nicht gesprochen werden, in Schulbüchern wird das Thema nicht erwähnt, ein Gedenken gibt es nicht. In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong waren Gedenken jahrelang möglich, doch seit den gewaltsam beendeten prodemokratischen Protesten in Hongkong im Jahr 2019 ist dies auch dort verboten.