Ehemalige Sekte "Colonia Dignidad" Ramelows Besuch mit Symbolkraft in Chile
Als erster hochrangiger deutscher Politiker überhaupt hat Bundesratspräsident Ramelow in Chile der Opfer der einstigen deutschen Sekte "Colonia Dignidad" gedacht. Thüringens Regierungschef zeigte sich bewegt vom Schicksal der Menschen.
Es war ein Besuch mit Symbolkraft: Bundesratspräsident Bodo Ramelow besuchte in Chile die einstige deutsche Sektenkolonie "Colonia Dignidad" - als erster hochrangiger deutscher Politiker überhaupt. Ramelow zeigte sich bewegt:
Dass die 'Colonia' in ihrer größten Ausprägung ein Territorium wie das ganze Saarland kontrolliert hat und dass das, was der Sektenführer gemacht hat, im Kern die Zerstörung von Menschen war. Und zwar die praktische Zerstörung, die Ausbeutung mit Elektroschocks, die physische Vernichtung all diese Sachen und dass man lange davon nichts wissen wollte. Und dass in dieser 'Colonia' dann unter Pinochet-Zeiten die Menschen ermordet worden sind, gefoltert worden sind, der berühmte Kartoffelkeller. Das alles lässt mich nicht frei von Emotionen.
Ermittlungsverfahren eingestellt
Jahrzehntelang hatten der deutsche Staat und das Auswärtige Amt weggeschaut, die deutsche Botschaft den Opfern Schutz verweigert. Erst im Jahr 2016 räumte Frank-Walter Steinmeier, damals Außenminister, eine moralische Mitverantwortung der deutschen Regierung ein. Die Verbrechen sollten aufgeklärt werden.
Allerdings wurden alle Ermittlungsverfahren der deutschen Justiz eingestellt. Und in der einstigen "Colonia Dignidad", die heute als Feriendorf "Vila Baviera" - Bayerisches Dorf - Touristen empfängt, die als Holding eine Immobiliengesellschaft unterhält, haben weiterhin die Nachkommen der ehemaligen Führungsriege das Sagen. Eine Güterverteilung fand nie statt.
Klärung der Besitzverhältnisse
Doris Zeitner, die aufgrund von Misshandlungen heute nicht mehr arbeiten kann, und andere, die jahrelang als Arbeitssklaven in der "Colonia" schufteten, haben aus Deutschland eine symbolische, einmalige Entschädigung von 10.000 Euro erhalten. Sie fordern juristische Hilfe, bei der Klärung der Besitzverhältnisse
"Die aktuelle Lage ist, dass mindestens über die Hälfte verkauft worden ist an Ländereien und wir gar nichts davon abbekommen haben. Weiterhin zeigt die Leitung keine Bemühungen, dass sie mit uns zusammenarbeiten will, was uns sehr frustriert. Wir haben doch 30 und andere wie mein Mann 45 Jahre ohne Geld gearbeitet", sagt Zeitner.
Kein Dialog unter Betroffenen
Doch auch unter den verschiedenen Opfergruppen - "Ex-Colonos", Angehörige von während der Pinochet-Diktatur gefolterten und ermordeten oder Chilenen, die als Kinder festgehalten und vergewaltigt wurden, gibt es kaum Dialog. Dazu kommt, dass die Grabungen und die Suche nach verbliebenen Massengräbern feststeckt. Nach wie vor gibt es weder einen Gedenkort noch ein Dokumentationszentrum auf dem Sektengelände zu den Menschenrechtsverbrechen, auch wenn dazu bereits 2017 eine deutsch-chilenische Kommission eingerichtet wurde.
"Bis vor einem guten halben Jahr war der zuständige Minister jemand, der der Pinochet treuen Partei UDI angehörte, der selbst zum Freundeskreis der 'Colonia Dignidad' gehört hatte. Da muss man sich nicht wundern, dass der Wille, sich mit diesem Thema kritisch auseinanderzusetzen, vorsichtig formuliert eher gering ausgeprägt war. Das ist jetzt mit der neuen Regierung anders, aber wir müssen uns nichts vormachen, die chilenische Gesellschaft ist eine extrem polarisierte Gesellschaft", sagt Jan-Christian Wagner. Leiter der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora, der seit Jahren Seminaren mit verschiedenen Opfergruppen der ehemaligen "Colonia Dignidad" organisiert und Ramelow bei seinem Besuch begleitete.
Stockende Aufarbeitung der Geschichte
Auch in Deutschland stehe die Aufarbeitung der Geschichte der "Colonia Dignidad" nicht oben auf der politischen Agenda. Trotzdem bleibt Wagner zuversichtlich: "Sowohl die deutsche als auch die chilenische Regierung haben im Augenblick sehr viele andere Baustellen. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass der Prozess jetzt ein wenig beschleunigt wird."
Kommendes Jahr werde am 11. September der 50. Jahrestag des Militärputsches von 1973 begangen. "Und es wäre sehr, sehr wünschenswert, wenn spätestens bis zu diesem Tag zumindest so etwas wie ein symbolischer Spatenstich für eine Gedenk- und Bildungsstätte in der "Colonia Dignidad" erfolgen könnte, so Wagner.